A. Allgemeines

 

Rz. 295

Die Beratungshilfe[470] (BerH), als staatliche Hilfe zur Wahrung der Chancengleichheit einkommensschwacher Bevölkerungsschichten, ist mit der Prozesskostenhilfe aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte, gesetzestechnischer Verweisungen und des mit ihr verfolgten rechtspolitischen Anliegens eng verbunden. Die BerH verfolgt das Ziel, unabhängig von der Parteirolle, sich vorgerichtlich über die Erfolgsaussicht eines eventuell zu führenden Prozesses zu informieren. Sie tritt zu anderen Beratungsmöglichkeiten hinzu und wird dort wirksam, wo weitere Hilfe für den Beratungssuchenden nicht vorhanden ist.

 

Rz. 296

Für die Anwaltschaft (vgl. § 3 Abs. 1 BerHG[471]) bedeutet diese außergerichtliche Hilfestellung keine neue Einnahmequelle und stellt sich oftmals – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten berechtigterweise – als unrentabel dar.

 

Rz. 297

Jedoch ist nach § 49a BRAO der Anwalt verpflichtet, die Beratung und Vertretung Rechtssuchender im Rahmen der Beratungshilfe zu übernehmen; nur aus wichtigem Grund ist eine Ablehnung im Einzelfall möglich. Ob als wichtiger Grund auch die Arbeitsauslastung in Betracht kommt, ist umstritten.

[470] BerHG v. 18.6.1980, BGBl I 1980, 689.
[471] Zu den Besonderheiten in den Ländern Hamburg und Bremen vgl. Rdn 313 ff.

B. Gegenstand der Beratungshilfe

 

Rz. 298

§ 2 Beratungshilfegesetz (BerHG) regelt, welche Angelegenheiten unter den Begriff der Beratungshilfe fallen. Gem. § 2 Abs. 2 BerHG gilt dies für Angelegenheiten des:

des Zivilrechts, einschließlich der Angelegenheiten, für deren Entscheidung die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind,
des Verwaltungsrechts,
des Verfassungsrechts,
des Sozialrechts.
 

Rz. 299

 

Hinweis

§ 2 Abs. 2 BerHG war mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit er die Gewährung von Beratungshilfe nicht auch in Angelegenheiten des Steuerrechts ermöglichte. Für die Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung darf die Gewährung von Beratungshilfe in Angelegenheiten, die den Finanzgerichten zugewiesen sind, nicht deshalb versagt werden, weil diese Angelegenheiten nicht zu den in § 2 Abs. 2 aufgeführten Rechtsgebieten zählen.[472]

Die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 2 BerHG führt nicht zur Nichtigkeit, da dem Gesetzgeber hier verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den Gleichheitsverstoß zu beseitigen.

Zwischenzeitlich wurde § 2 Abs. 2 BerHG geändert und ordnet nun an:

Beratungshilfe nach diesem Gesetz wird in allen rechtlichen Angelegenheiten gewährt.

 

Rz. 300

In Angelegenheiten des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts wird hingegen nur Beratung gewährt (§ 2 Abs. 2 S. 2 BerHG).

 

Rz. 301

Ausgeschlossen ist BerH in solchen Angelegenheiten, in denen das Recht anderer Staaten anzuwenden ist (§ 2 Abs. 3 BerhG) und die Sache auch keinen Inlandsbezug aufweist.

[472] BVerfG Beschl. 1 v. 14.10.2008 – BvR 2310/06 – (BGBl I S. 2180).

C. Voraussetzungen

I. Mittellosigkeit

 

Rz. 302

Erste Bewilligungsvoraussetzung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG die Mittellosigkeit, welche dann vorliegt, wenn der Rechtssuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann. In dem sachlich dazugehörigen Absatz 2 heißt es: "Die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 sind gegeben, wenn dem Rechtssuchenden Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften der ZPO ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre". Hierdurch erfolgt eine Bezugnahme auf bestimmte Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe.[473] Es ist auf die Einkommens- und Vermögenslage zur Zeit der Entscheidung über die Beratungshilfe abzustellen.[474]

[473] Schoreit/Dehn, § 1 BerHG Rn 20; Finger, MDR 1982, 361, 36.; Mock, Tipps + Taktik, Rn 1601.
[474] AG Eschweiler Rpfleger 1991, 322.

II. Keine andere Möglichkeit zur Hilfe

 

Rz. 303

Nach dem Gesetz darf keine andere Möglichkeit zur Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG).

 

Rz. 304

Hier spielen vor allem Berufsverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Fachverbände, Haus- und Grundbesitzervereine, Mietervereine, Verbraucherzentralen etc., Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten wie z.B. Jugendämter (§ 18 SGB VIII), Finanzämter (§ 89 AO), Anstaltsleitungen (§§ 5, 73, 108 StVollzG) eine große Rolle.

Dies kann z.B. im Einzelfall bei der Durchführung einer außergerichtlichen obligatorischen Schuldenregulierung zum Zwecke der Vorbereitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens auch die Inanspruchnahme der Tätigkeit einer Schuldnerberatungsstelle oder einer Verbraucherzentrale sein. Diese bieten in der Regel kostengünstigere Hilfemöglichkeiten an. Ebenso liegt eine andere Hilfemöglichkeit vor, wenn eine Mutter als Rechtsanwältin Beratung leisten kann.[475] Eine andere Möglichkeit für Hilfe bietet ein Mediator grundsätzlich nicht. Es ist hier streitig, ob der Mediator immer Rechtsberatung ausübt und ausüben darf.[476]

 

Rz. 305

In diesem Zusammenhang wird von Teilen der Rechtsprechung restriktiv auch die Selbstvertretung angesehen. Hiernach soll Beratungshilfe nur dann gewährt werden, wenn der Antragsteller nich...

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