Rz. 3

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sieht in Art. 47 Abs. 3 vor, dass Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt wird, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

 

Rz. 4

Am 27.1.2003 hat der Rat der Europäischen Union die Richtlinie 2002/8/EG zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen verabschiedet.[3] Diese ist am 31.1.2003 in Kraft getreten und musste bis zum 30.11.2004 bzw. 30.5.2006 in nationales Recht umgesetzt werden (Art. 21 Abs. 1).

 

Rz. 5

Das Gesetz zur Umsetzung gemeinschaftlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten (EG–Prozesskostenhilfegesetz) vom 15.12.2004[4] regelt die zur Umsetzung der vorbezeichneten Richtlinie erforderlichen Bestimmungen als neuen Abschnitt 3 im 11. Buch der ZPO (§§ 1076, 1077, 1078 ZPO). Die Gerichte des Wohnsitzstaates tragen hierbei für eine ordnungsgemäße Antragstellung Sorge und leiten die Ersuchen nebst den zur Rechtsverfolgung erforderlichen Unterlagen sowie Nachweisen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers an die für die Bearbeitung zuständigen Stellen des Empfangsstaates weiter.

Darüber hinaus stellt § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO juristische Personen, die in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig sind, im Bereich des Prozesskostenhilferechts mit inländischen juristischen Personen gleich. Der Gesetzgeber formuliert hierzu:

 

[…]

2. eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.

[…]

 

Rz. 6

Grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe im Sinne der Richtlinie umfasst auch die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung.

Mit der EG-Prozesskostenhilfevordruckverordnung (EG-PKHVV) hat das BMJ die von der Europäischen Kommission erarbeiteten Standardformulare[5] des Antrags auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe und des zugehörigen Vordrucks zur Übermittlung der Anträge gem. § 1077 Abs. 2 ZPO verbindlich eingeführt.[6] Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Von den Bestimmungen des EG-Prozesskostenhilfegesetzes sind alle mit Zivil- und Handelssachen befassten Gerichte – einschließlich der Rechtsmittelgerichte – betroffen; nach § 11a Abs. 3 ArbGG gelten sie in Verfahren vor den Arbeitsgerichten entsprechend.

Für die Bearbeitung ein- und ausgehender Ersuchen auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe ergibt sich im Wesentlichen folgendes Verfahren:

[3] AblEG L 26/41.
[4] BGBl I 2004, 3392.
[5] Muster Rdn 340.
[6] Http://bundesrecht.juris.de/eg-pkhvv und httm://www.internationale-rechtshilfe.nrw.de.

I. Ausgehende Ersuche

 

Rz. 7

Anträge auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe können gem. Art. 13 der Richtlinie:

entweder bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates eingereicht werden, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Übermittlungsbehörde),
oder bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates des Gerichtsstands,
oder des Vollstreckungsmitgliedstaates (Empfangsbehörde).
 

Rz. 8

In der Bundesrepublik Deutschland nehmen die Aufgaben der Übermittlungsstellen sachlich die Amtsgerichte (§ 1077 Abs. 1 S. 1 ZPO), funktionell der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 6 RpflG) wahr.

Die Übermittlungsstelle prüft nach § 1077 Abs. 4 ZPO die Vollständigkeit des Antrags und wirkt gegebenenfalls darauf hin, dass erforderliche Anlagen beigefügt werden. Ferner fertigt sie von Amts wegen die entsprechenden Übersetzungen der Eintragungen in den Standardformularen in der Amtssprache des ersuchten Staates oder in der Sprache, die der Mitgliedsstaat soweit zugelassen hat, an.[7]

Ist der Antrag offensichtlich unbegründet, oder fällt er offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der o.g. Richtlinie 2003/8/EG, kann die Übermittlungsstelle die Übermittlung durch Beschluss vollständig oder teilweise ablehnen (§ 1077 Abs. 3 S. 1 ZPO).

Die Übermittlungsstelle hat die vorgesehenen Übersetzungen auf ihre Kosten von Amts wegen zu beschaffen (§ 1077 Abs. 4 S. 1 ZPO). Eine Rückforderung der Kosten ist möglich, wenn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe von der Empfangsbehörde abgelehnt wird, wenn der Antragsteller den Antrag zurücknimmt, oder wenn die Übermittl...

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