Isabel Hexel, Martina Hidalgo
Rz. 331
§ 23 Abs. 3 BetrVG ist ein bekanntes Instrument des Betriebsrats zur Durchsetzung seiner Rechte. Obwohl manchmal von einem "23-III-Verfahren" gesprochen wird, gibt es hierfür keine eigene Verfahrensart. § 23 Abs. 3 BetrVG ist vielmehr nur eine von mehreren Anspruchsgrundlagen, auf die Anträge im Beschlussverfahren gestützt werden können.
§ 23 Abs. 3 BetrVG schließt andere oder weitergehende Ansprüche des Betriebsrats nicht aus. Andere Anspruchsgrundlagen sollten immer geprüft werden. Insbesondere gibt es neben § 23 Abs. 3 BetrVG den nicht ausdrücklich normierten allgemeinen Unterlassungsanspruch, der aus Mitbestimmungstatbeständen wie § 87 BetrVG abgeleitet wird (näher Rdn 485 ff.). Auch aus § 78 S. 1 BetrVG hat das BAG einen Unterlassungsanspruch abgeleitet: "Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder einer Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch ist in § 78 S. 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Er folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern (…)[,] und kann als selbständig einklagbarer Nebenleistungsanspruch auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung bestehen (…). (…) § 78 S. 1 BetrVG schützt die Funktionsfähigkeit der darin genannten betriebsverfassungsrechtlichen Institutionen. Diesen Schutz kann ein Unterlassungsanspruch unter den engen Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG nicht in gleicher Weise bewirken. Ein Unterlassungsanspruch nach dieser Vorschrift setzt einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten durch den Arbeitgeber voraus (…). Die Vorschrift des § 78 S. 1 BetrVG schützt den Betriebsrat umfassender und wirkt bereits einer weniger einschneidenden Behinderung seiner Amtsführung entgegen."
Rz. 332
§ 23 Abs. 3 BetrVG knüpft an einen in der Vergangenheit liegenden Pflichtverstoß des Arbeitgebers an und wirkt in die Zukunft, indem dem Betriebsrat hierdurch die Möglichkeit gegeben wird, zukünftig eine betriebsverfassungskonforme Handhabung des zugrunde liegenden Sachverhalts durchzusetzen. Der Arbeitgeber kann zu einem Handeln oder einem Unterlassen verpflichtet werden.
Rz. 333
Folgende Besonderheiten sind beim Anspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG im Vergleich zu anderen Ansprüchen zu beachten:
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§ 23 Abs. 3 BetrVG sichert die künftige Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Er stellt weder einen Anspruch auf Rückgängigmachung einer mitbestimmungswidrigen Maßnahme dar noch einen Anspruch auf Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands. Ein solcher Anspruch kann sich aber im Zusammenhang mit dem allgemeinen Unterlassungsanspruch ergeben. |
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§ 23 Abs. 3 BetrVG setzt voraus, dass der Arbeitgeber bereits gegen seine Verpflichtungen nach dem BetrVG verstoßen hat, und zwar in grober Weise. Vorbeugend für den Fall, dass ein Verstoß des Arbeitgebers erst bevorsteht, kann Unterlassung nach dieser Vorschrift nicht verlangt werden. Auch dies ist beim allgemeinen Unterlassungsanspruch anders. |
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Die notwendige Wiederholungsgefahr ist bei groben Verstößen i.S.d. § 23 Abs. 3 BetrVG indiziert und braucht nicht dargelegt zu werden. Die Voraussetzungen des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nähern sich in diesem Punkt insofern an, als das BAG hier eine "tatsächliche Vermutung" der Wiederholungsgefahr annimmt. Umgekehrt sind beide Anspruchsgrundlagen ausgeschlossen, wenn eine Wiederholungsgefahr aufgrund der Einzelfallumstände auszuschließen ist. |
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Nach § 23 Abs. 3 BetrVG beträgt das Ordnungsgeld und Zwangsgeld höchstens 10.000 EUR; nach § 85 Abs. 1 S. 3 ArbGG sind Ordnungs- und Zwangshaft ausgeschlossen. Demgegenüber kann beim allgemeinen Unterlassungsanspruch gemäß § 890 Abs. 1 ZPO das einzelne Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR betragen, und es ist dort auch Ordnungshaft von insgesamt bis zu zwei Jahren vorgesehen. |
Rz. 334
Insgesamt wird der Anspruch des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG als kollektivrechtliche Abmahnung des Arbeitgebers angesehen, welche die Mitbestimmung des Betriebsrats nach einem groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten in der Vergangenheit mit dem Ziel der Vorbeugung gegen zukünftige Verstöße durch erweiterte Sanktionsmöglichkeiten sichern soll. Bedeutung hat die Vorschrift, nachdem der allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungsanspruch anerkannt ist, vor allem noch dort, wo es um Handlungs- statt Unterlassungsverpflichtungen oder um Rechte geht, die außerhalb echter Mitbestimmungstatbestände liegen. Das ist z.B. auch bei wiederholter Einstellung entgegen §§ 99, 100 BetrVG der Fall; dies wird unter Rdn 413 ff. behandelt.