Isabel Hexel, Martina Hidalgo
a) Anwendungsbereich
Rz. 453
Nach § 76 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Diese besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern des Arbeitgebers und des Betriebsrats sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden. Können sich die Betriebspartner nicht auf die Person des Vorsitzenden einigen, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag nach § 76 Abs. 2 S. 2 BetrVG i.V.m. § 100 ArbGG. Ebenso entscheidet das Arbeitsgericht auf Antrag über die Anzahl der Beisitzer, wenn sich die Betriebsparteien diesbezüglich nicht einig werden (§ 76 Abs. 2 S. 3 BetrVG, § 100 ArbGG).
In der Praxis erlangt der Antrag nach § 100 ArbGG zudem regelmäßig in Fallkonstellationen Bedeutung, in denen eine Betriebspartei die Notwendigkeit der Bildung einer Einigungsstelle oder die Zuständigkeit der Einigungsstelle für den im Antrag benannten Regelungsgegen-stand bestreitet. Denn das Arbeitsgericht muss als Vorfrage der Einsetzung des Einigungsstellenvorsitzenden oder der Festlegung der Beisitzeranzahl die Zuständigkeit der Einigungsstelle für den im Antrag genannten Regelungsgegenstand prüfen. Bestellt das Gericht einen Vorsitzenden durch Beschluss nach § 76 Abs. 2 S. 2 BetrVG i.V.m. § 100 ArbGG, so bedeutet dies zugleich, dass die Einigungsstelle wirksam eingesetzt ist.
Rz. 454
Die Norm gelangt sowohl im Rahmen der Zwangsschlichtung nach § 76 Abs. 5 BetrVG als auch im freiwilligen Einigungsverfahren nach § 76 Abs. 6 BetrVG zu Anwendung. Ihre praktische Bedeutung im freiwilligen Einigungsverfahren ist jedoch gering; denn wenn sich die Betriebsparteien freiwillig auf die Einsetzung einer Einigungsstelle verständigen, regeln sie regelmäßig zugleich die Fragen des Vorsitzes und der Anzahl der Beisitzer.
Rz. 455
Praxishinweis
Bei einer Einigung über die Einsetzung der Einigungsstelle ist darauf zu achten, dass angesichts der unterschiedlichen Kostenfolgen nach § 76a BetrVG geregelt wird, ob die Einigungsstelle aus außerbetrieblichen oder aus betrieblichen Beisitzern bestehen soll. Ebenso sollte die Rolle des Anwalts in der Vereinbarung definiert werden: Dieser kann als anwaltlicher Berater einer Betriebspartei oder als Beisitzer der Einigungsstelle tätig werden. Auch diesbezüglich ergeben sich – neben dem Unterschied, dass dem beratenden Anwalt im Unterschied zum Beisitzer kein Stimmrecht zusteht – Differenzen im Hinblick auf die Vergütung: Während der beratende Anwalt nach allgemeinen anwaltlichen Vergütungsgrundsätzen (insbesondere also nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder einem vereinbarten Stundensatz) vergütet wird, wird der beisitzende Anwalt nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig und unterliegt damit der Vergütungsregel des § 76a BetrVG, d.h. er erhält im Regelfall ein Honorar in Höhe von 7/10 des Honorars des Vorsitzenden.
Rz. 456
Streitigkeiten über der Bildung einer tariflichen Schlichtungsstelle nach § 76 Abs. 8 BetrVG sind vom Anwendungsbereich des § 100 ArbGG nicht erfasst.
b) Zulässigkeit
Rz. 457
Der Antrag (§§ 100 Abs. 1 S. 3, 81 Abs. 1, Hs. 1 ArbGG) unterliegt keiner besonderen Formvorschrift und keiner Frist.
Örtlich zuständig ist gemäß §§ 100 Abs. 1 S. 3, 82 Abs. 1 ArbGG das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat. Stellt der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat den Antrag, ist der Unternehmenssitz entscheidend.
Antragsbefugt sind Arbeitgeber und Betriebsrat. In den Fällen, in denen nach dem BetrVG lediglich einer der Betriebspartner zur Anrufung der Einigungsstelle befugt ist, ist auch die Antragsbefugnis für das Verfahren nach § 100 ArbGG entsprechend begrenzt.
Umstritten ist, ob die Betriebsparteien den Antrag im freiwilligen Einigungsverfahren nach § 76 Abs. 6 BetrVG gemeinsam stellen müssen. Teilweise wird vertreten, dass ein Antrag in diesem Verfahren unzulässig sei, wenn er nur von einer der Parteien gestellt werde. Im Ergebnis hat dieser Streit nur geringe Auswirkungen. Denn wenn eine der Betriebsparteien im freiwilligen Einigungsverfahren mit dem Tätigwerden der Einigungsstelle nicht einverstanden ist, ist der Antrag, wenn schon nicht als unzulässig, so jedenfalls als unbegründet abzuweisen.
Rz. 458
Inhaltlich ist der Antrag, je nachdem was zwischen den Betriebspartnern streitig ist, auf die Bestellung eines Vorsitzenden der Einigungsstelle oder die Festlegung der Beisitzeranzahl zu richten, gegebenenfalls auf beides.
In der Praxis ist es üblich, die gewünschte Person des Einigungsstellenvorsitzenden im Antrag namentlich zu benennen und die gewünschte Anzahl der Beisitzer zu beziffern. Rechtlich gesehen sind diese Angaben zwar nicht erforderlich...