Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 722
Im Rahmen der Begründetheit ist wie üblich zwischen Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund zu differenzieren.
(a) Verfügungsanspruch
Rz. 723
Regelmäßig handelt es sich um eine Unterlassungsverfügung. Es bedarf daher eines korrespondierenden Unterlassungsanspruchs. Dieser folgt entweder aus der tarifvertraglichen Friedenspflicht oder, wenn es sich wie bei Betriebsblockaden oder -besetzungen um Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt, aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Da das BAG in der Flashmob-Entscheidung jedoch auch Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft als gerechtfertigt ansieht, können die Rechtmäßigkeitsgrenzen nicht immer genau formuliert werden. Bei Flashmob-Aktionen wird vorgeschlagen, den Unterlassungsanspruch aus einem vorbeugenden Hausverbot herzuleiten. Die Verletzungsformen müssen dabei jedoch ausreichend bestimmt beschrieben werden.
Es ist die Rechtswidrigkeit des gesamten Arbeitskampfes oder der einzelnen Arbeitskampfmaßnahmen substantiiert darzulegen und nach den üblichen zivilprozessualen Regelungen glaubhaft zu machen. Wegen der besonderen Grundrechtsrelevanz einstweiliger Verfügungen in Arbeitskampfangelegenheiten wird teilweise verlangt, die Rechtswidrigkeit müsse "offensichtlich" sein, um den Erlass einer Verfügung zu rechtfertigen. Dem ist mit der herrschenden Auffassung entgegenzuhalten, dass es im Recht der einstweiligen Verfügung diese Einschränkung nicht gibt, sondern entsprechende Gesichtspunkte allenfalls im Rahmen des Verfügungsgrundes eine Rolle spielen. Das BVerfG ließ diese Frage jüngst offen. Freilich wird man damit rechnen müssen, dass jedenfalls bei einer zweifelhaften Rechtslage regelmäßig keine einstweiligen Verfügungen in dem sensiblen Bereich des Arbeitskampfrechtes ergehen, wobei diese Beschränkung nur im Hinblick auf Arbeitskämpfe insgesamt gilt, nicht jedoch bei einem Streit über die Rechtswidrigkeit einzelner Kampfmaßnahmen.
(b) Verfügungsgrund
Rz. 724
Es gelten zunächst die allgemeinen Grundsätze, insbesondere der §§ 935, 940 ZPO. Die Verfügung muss zur Sicherung eines Rechtes oder zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich sein, d.h. ohne die erstrebte Verfügung wird die Durchsetzung des Verfügungsanspruches vereitelt oder wesentlich erschwert und der Erlass der Verfügung ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich. Hieraus resultiert die Notwendigkeit einer umfassenden Interessenabwägung. Dabei sind zu erwartende Schäden aufgrund der vermeintlich rechtswidrigen Kampfmaßnahme zu berücksichtigen, wobei allerdings Arbeitskämpfe per se auf eine gewisse Schädigung der Gegenseite gerichtet sind, um auf diese Weise den nötigen Einigungsdruck zu erzielen. Im Hinblick auf den Verfügungsgrund bei Untersagungsverfügungen gegen einzelne Kampfmaßnahmen ist bezüglich jeder einzelnen der Gegenseite zu untersagenden Handlungsweise eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sollen laut BAG die Streikziele nicht im Sinne einer Übermaßkontrolle bei der Abwägung Berücksichtigung finden: "Der Umfang einer Streikforderung ist keine rechtlich bedeutsame Größe". Maßgeblich sei insoweit nur die eigentliche Tarifforderung, wie sie Niederschlag in dem zugrunde liegenden Streikbeschluss gefunden hat, wobei die Frage des tariflich regelbaren Zieles sowie die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung und Bekanntgabe der Arbeitskampfziele jedoch eine Frage des Verfügungsanspruches und nicht des -grundes ist. Ausnahmsweise können jedoch Verlautbarungen der Gewerkschaft außerhalb des Streikbeschlusses maßgeblich sein.