Isabel Hexel, Martina Hidalgo
a) Schulungsmaßnahmen nach § 37 Abs. 6 BetrVG
aa) Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung
Rz. 306
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Zu unterscheiden ist stets zwischen der objektiven Erforderlichkeit einer Schulung für die ordnungsgemäße Wahrnehmung von betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und der subjektiven Erforderlichkeit einer Schulung für die konkret zu entsendende(n) Person(en).
Die Vermittlung von Kenntnissen ist für die Betriebsratsarbeit objektiv erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Erforderlich ist regelmäßig die Vermittlung von Grundkenntnissen des Betriebsverfassungsrechts, ohne dass dies von dem Betriebsrat näher dargelegt zu werden braucht. Die Kenntnisse der gesetzlichen Grundlage sind für die ordnungsgemäße Tätigkeit bei jedem Betriebsratsmitglied Voraussetzung. Überdies wird zutreffend die Schulung jedes Betriebsratsmitglieds im allgemeinen Arbeitsrecht sowie im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung für erforderlich erachtet, da das Betriebsratsmitglied ohne Kenntnisse die Überwachungsaufgabe nach § 80 BetrVG nicht unabhängig wahrnehmen kann. Der Betriebsrat muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass sich das zu der Schulung zu entsendende Betriebsratsmitglied die erforderlichen Kenntnisse auch auf andere Weise, wie etwa durch Selbststudium oder durch Befragung der übrigen, besser informierten Betriebsratsmitglieder, verschaffen könnte.
Dagegen bedarf die Vermittlung von Spezialwissen der Darlegung eines aktuellen oder absehbaren betrieblichen oder betriebsbezogenen Anlasses, aus dem sich der konkrete Schulungsbedarf ergibt. Der Betriebsrat muss darlegen, dass er die durch Schulung zu vermittelnden Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Situation des Betriebs und Betriebsrats sofort oder aufgrund einer typischen Fallgestaltung demnächst benötigt. Nicht ausreichend ist die bloß theoretische Möglichkeit, die Kenntnisse könnten später erforderlich sein. So ist beispielsweise die Vermittlung allgemeiner Grundkenntnisse des Sozial- und Sozialversicherungsrechts ohne einen konkreten betriebsbezogenen Anlass nicht erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG, da die Beratung von Arbeitnehmern in sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht zu den betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben des Betriebsrats gehört. Ebenso werden spezielle Themenstellungen mit rein allgemein bildenden, künstlerischen, unterhaltenden, allgemein politischen oder kirchlichen Themen, die keinen konkreten Bezug zu den Aufgaben des Betriebsrats aufweisen, regelmäßig als nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG angesehen. Schulungen zu allgemeinen Themen wie Rhetorik oder Verhandlungsführung können aber erforderlich sein, wenn das Betriebsratsmitglied beispielsweise besonders häufig mit dem Arbeitgeber über betriebliche Regelungen verhandelt. Dagegen kann es nach Ansicht des BAG im Einzelfall erforderlich i.S.v. § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG sein, dass sich einzelne Betriebsratsmitglieder über die aktuelle Rechtsprechung des BAG durch die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung informieren; in diesem Fall ist jedoch die Darlegung des betrieblichen Bezugs durch den Betriebsrat erforderlich, da Kenntnisse der aktuellen Rechtsprechung des BAG nicht zum unverzichtbaren Grundwissen der einzelnen Betriebsratsmitglieder gehören.
Bei der subjektiven Erforderlichkeit wird auf die Erfahrungen und Vorkenntnisse des zu der Schulung zu entsendenden Betriebsratsmitglieds abgestellt. Bei der Vermittlung von Grundkenntnissen kann auf eine nähere Darlegung der Schulungsbedürftigkeit bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern verzichtet werden. Die Entsendung zu einer derartigen Veranstaltung scheidet mangels Erforderlichkeit jedoch aus, wenn das ausgewählte Betriebsratsmitglied die erforderlichen Kenntnisse bereits besitzt. Dabei muss es sich allerdings um persönliche Kenntnisse des Betriebsratsmitglieds handeln, nicht um Kenntnisse des Gremiums "Betriebsrat" oder anderer Betriebsratsmitglieder. Hat das vom Betriebsrat ausgewählte Betriebsratsmitglied selbst Vorkenntnisse, z.B. durch den Besuch anderer Veranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG, durch die Teilnahme an einer Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 7 BetrVG, durch Eigenstudium oder durch eine frühere Tätigkeit bei einer Gewerkschaft, im Betriebsrat oder in anderen Gremien, kann es an der Erforderlichkeit einer (weiteren) Information über die Grundbegriffe des Arbeitsrechts oder Betriebsverfassungsrechts fehlen. Daher wird die Vermittlung von Grun...