Isabel Hexel, Martina Hidalgo
a) Allgemeines
aa) Antrag des Betriebsrats
Rz. 376
Den Antrag auf Aufhebung einer personellen Maßnahme stellt der Betriebsrat an das für den Betrieb zuständige (§ 82 Abs. 1 S. 1 ArbGG) Arbeitsgericht im Beschlussverfahren.
Wenn der Arbeitgeber die Maßnahme bereits vorgenommen und ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet hat, kann der Betriebsrat seinen Antrag auch als Gegenantrag im Zustimmungsersetzungsverfahren einbringen.
bb) Antrag des Arbeitgebers
Rz. 377
Demgegenüber kann der Arbeitgeber im Aufhebungsverfahren des Betriebsrats nach § 101 BetrVG nicht den Gegenantrag einbringen, die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Ein solcher Gegenantrag ist wegen der damit verbundenen Vertauschung der Parteirollen unzulässig. Dem Arbeitgeber ist im Aufhebungsverfahren auch der Einwand verwehrt, in Wahrheit fehle dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsgrund. Der Arbeitgeber soll also mit seinem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht warten dürfen, bis der Betriebsrat das Aufhebungsverfahren nach § 101 BetrVG eingeleitet hat.
cc) Folgen für den Arbeitnehmer
Rz. 378
Eine betriebsverfassungsrechtlich unwirksame Maßnahme ist nicht in jedem Fall auch individualrechtlich unwirksam. "Die Durchführung einer personellen Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats stellt zunächst nur einen Pflichtverstoß gegenüber dem Betriebsrat dar; die Maßnahme ist betriebsverfassungsrechtlich unwirksam. Eine gleichzeitige individualrechtliche Unwirksamkeit kommt lediglich in Betracht, wenn Sinn und Zweck des Mitwirkungsrechts ein Durchschlagen der Rechtswidrigkeit von der kollektiven auf die individualrechtliche Ebene zwingend erfordern. Ob eine ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte personelle Einzelmaßnahme unwirksam ist, kann daher nicht einheitlich beantwortet werden; vielmehr ist für die Entscheidung dieser Frage vom Schutzzweck des jeweils betroffenen Mitwirkungsrechts auszugehen."
Rz. 379
So ist der ohne Zustimmung des Betriebsrats oder trotz mangelhafter Anhörung des Betriebsrats abgeschlossene Arbeitsvertrag wirksam. Die betriebsverfassungswidrige Einstellung führt nur zu einem betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbot. Der Betriebsrat kann also verlangen, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht im Betrieb beschäftigt wird. Der Arbeitnehmer selbst kann sich hierauf i.S.d. Berechtigung zur Verweigerung der Arbeit nur berufen, wenn der Betriebsrat die Aufhebung der Einstellung betreibt. In einem solchen Fall behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltzahlung trotz Nichtbeschäftigung.
Rz. 380
Auch ein betriebsverfassungsrechtswidriges Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch, sondern bedarf einer Kündigung. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beim Abschluss des Arbeitsvertrags über die Bedenken des Betriebsrats unterrichtet, kann er bei rechtskräftig festgestellter Betriebsverfassungsrechtswidrigkeit fristlos kündigen, anderenfalls fristgemäß.
Rz. 381
Anders ist es bei einer Versetzung. Das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung dient sowohl dem Schutz der Belegschaft als auch vorrangig dem Schutz des betroffenen Arbeitnehmers, wie der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG zeigt. Daher ist die ohne Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochene Versetzung auch individualrechtlich gem. § 134 BGB unwirksam und nicht davon abhängig, dass der Betriebsrat die Aufhebung der Maßnahme betreibt. In einem solchen Fall ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, der Versetzung Folge zu leisten. Die Weigerung stellt keine vertragswidrige Arbeitsverweigerung dar und lässt den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nicht entfallen.
Rz. 382
In Bezug auf die Eingruppierung hat die gerichtliche Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren keine präjudizielle Wirkung auf das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer kann sich aber für seinen Entgeltanspruch auf die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren berufen, ohne dass es noch einer Prüfung der tariflichen Eingruppierungsvoraussetzungen bedarf. Allerdings ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, gegenüber dem Arbeitgeber eine günstigere als die im Beschlussverfahren angenommene Eingruppierung geltend zu machen.