Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 241
Nach §§ 592, 597 Abs. 2 ZPO kann ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat, im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Diese Voraussetzungen sind bei einer auf §§ 611, 615 BGB gestützten Vergütungsklage regelmäßig erfüllt. Es ist daher anerkannt, dass Vergütungsansprüche von Geschäftsführungsorganen im Urkundenprozess verfolgt werden können.
Rz. 242
Praxishinweis:
Gemäß § 593 Abs. 1 ZPO muss die Klageschrift die ausdrückliche Erklärung enthalten, dass im Urkundenprozess geklagt wird. Ferner müssen der Klageschrift gemäß § 593 Abs. 2 ZPO Kopien der anspruchsrelevanten Urkunden beigefügt werden. Diese müssen grundsätzlich nicht beglaubigt sein. Nach Auffassung einiger Oberlandesgerichte muss allerdings mindestens eine Urkunde im Original oder in beglaubigter Kopie mit der Klageschrift vorgelegt werden. Bestreitet die beklagte Gesellschaft die Tatsachen, die durch die Urkunden belegt werden sollen, müssen im Termin zur mündlichen Verhandlung die Originale vorgelegt werden, § 595 Abs. 3 ZPO. Abschriften, auch beglaubigte, reichen dann nicht.
Rz. 243
Aus Sicht des Organs stellt sich die Frage, ob die Vergütung für die gesamte – insbesondere auch die teilweise in der Zukunft liegende – Restlaufzeit des Anstellungsvertrags im Urkundenprozess geltend gemacht werden kann. Nach herrschender Meinung ist eine Klage auf zukünftige Vergütungsleistungen im Urkundenprozess unstatthaft. Nur bereits fällige Vergütungsansprüche können danach im Urkundenprozess eingeklagt werden. Die §§ 257 ff. ZPO sind zwar auch im Urkundenprozess grundsätzlich anwendbar. Der insoweit allein in Betracht kommende § 259 ZPO setzt allerdings voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist. Der Vergütungsanspruch entsteht jedoch erst mit Erbringung der Dienstleistung bzw. Vorliegen der Voraussetzungen des Annahmeverzugs für den betreffenden Zeitraum. Eine Klage auf zukünftige Vergütungsleistungen birgt somit ein erhebliches Prozessrisiko.
Rz. 244
Wie im regulären Verfahren wird die Klage regelmäßig auf die Zahlung eines Bruttobetrags gerichtet sein. Das OLG Düsseldorf hat eine Bruttoklage im Urkundenprozess allerdings für unzulässig gehalten, da ein Urkundenprozess voraussetze, dass sich die tatsächlich auszuzahlenden Beträge aus einer Urkunde ergäben. Dies sei nicht der Fall, wenn die gesetzlichen Abzüge erst durch steuerliche Berechnungen ermittelt werden müssten. Die Entscheidung entspricht nicht der Spruchpraxis anderer Oberlandesgerichte und vermag auch nicht zu überzeugen, da der aus dem Anstellungsvertrag folgende Vergütungsanspruch nicht nur die Nettoauszahlung, sondern den Bruttobetrag umfasst und eine etwa bereits erfolgte Abführung von Steuern oder Sozialabgaben erst im Rahmen der Vollstreckung zu prüfen und in Abzug zu bringen ist.
Rz. 245
Führt das Organ parallel zum Urkundenprozess ein reguläres Verfahren auf Feststellung, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist, liegt es seitens der beklagten Gesellschaft nahe, zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO zu beantragen. Das KG gab einem solchen Aussetzungsantrag unter Hinweis auf die Vorgreiflichkeit der Frage der Wirksamkeit der Kündigung für die Begründetheit von Vergütungsansprüchen bereits statt. Überwiegend wird eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO allerdings im Regelfall für unzulässig gehalten, weil damit der Zweck des Urkundenprozesses, eine schnelle vorläufige Gehaltszahlung zu erreichen, unterlaufen würde. Nur unter besonderen Umständen komme eine Aussetzung in Betracht.