Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 582
Ein besonders praxisrelevanter Fall der Vollstreckung im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Durchsetzung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs. Die Zwangsvollstreckung erfolgt gemäß § 888 ZPO durch Verhängung von Zwangsgeld oder Zwangshaft. Will der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung vollstrecken, ist dies für den Arbeitgeber in den meisten Fällen unangenehm. Dies gilt insbesondere für Fallkonstellationen, in denen der streitgegenständlichen Kündigung verhaltensbedingte Gründe zugrunde liegen. Insbesondere bei Kündigungsschutzverfahren mit Führungskräften kann sich die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs als besonders empfindlich für den Arbeitgeber darstellen, sodass der Arbeitgeber versuchen wird, die Vollstreckung in jedem Fall zu verhindern oder zumindest für geraume Zeit hinauszuzögern, indem im Vollstreckungsverfahren Rechtsmittel eingelegt werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, auf diese Art und Weise eine tatsächliche Beschäftigung des im Kündigungsschutzverfahren erstinstanzlich obsiegenden Arbeitnehmers bis zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hinauszuzögern. In den meisten Fällen wird bereits die (auch bloß angedrohte) Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsantrages Druck auf den Arbeitgeber ausüben und ggf. dazu führen, dass er eine höhere Abfindung als zuvor anbietet, um den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen zu müssen.
a) Hinreichende Bestimmtheit
Rz. 583
Voraussetzung für eine erfolgreiche Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs ist, dass der Antrag hinreichend bestimmt ist. Hier ist bereits bei der Formulierung des Antrags erhöhte Sorgfalt geboten. Im Vollstreckungsverfahren stellt die Bestimmtheit des Titels eine Grenze für die materiell-rechtliche Frage der Erfüllung dar. Aus dem tenorierten Weiterbeschäftigungsanspruch sollten die maßgeblichen Beschäftigungsbestimmungen unmissverständlich hervorgehen. Die Formulierung, dass der Arbeitnehmer "zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen" ist, reicht hierfür regelmäßig nicht aus. Aus dieser Formulierung ist nicht ersichtlich, was unter der Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen zu verstehen ist. Dasselbe gilt für die Formulierung "zu unveränderten Bedingungen gemäß dem Arbeitsvertrag".
Der ggf. streitige Inhalt des Weiterbeschäftigungsanspruchs ist nicht Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens. Deshalb sollten sich die wesentlichen Arbeitsbedingungen bestenfalls aus dem Tenor oder zumindest aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Urteils ergeben, sodass der Tenor durch das Vollstreckungsorgan ausgelegt werden kann. Hat das Gericht im Tatbestand auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen, sind auch diese bei der Auslegung zu verwerten. Allerdings dürfen Ungenauigkeiten nicht vermeidbar in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden.
Es ist ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art und Weise der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Es ist ausreichend, wenn sich aus dem Titel das Berufsbild des Arbeitnehmers ergibt oder ihm zu entnehmen ist, worin die zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll. Bei eindeutigen Berufsbildern – z.B. Bäcker, Maurer, Krankenpfleger – ergeben sich grundsätzlich keine vollstreckungsrechtlichen Schwierigkeiten. Dies ist anders bei Berufsbezeichnungen, die für außerhalb des Unternehmens stehende Personen aus sich heraus inhaltlich nicht verständlich sind. Der Arbeitnehmer sollte in diesen Fällen sinnvollerweise die Berufsbezeichnung wählen, die sich im Arbeitsvertrag befindet.
Praxistipp
Arbeitgeber wenden im Vollstreckungsverfahren häufig ein, dass der Weiterbeschäftigungstitel nicht hinreichend bestimmt und deswegen nicht vollstreckbar sei. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass über den Antrag nach § 888 ZPO in der Regel derselbe Vorsitzende entscheidet, der bereits über den tenorierten Weiterbeschäftigungsantrag entschieden hat. Das Gericht müsste also im Vollstreckungsverfahren zu dem Schluss kommen, dass es zuvor ein nicht vollstreckungsfähiges Urteil erlassen hat, weil der Umfang der tenorierten Weiterbeschäftigung unklar ist. Aus diesem Grund dürfte der Einwand der fehlenden hinreichenden Bestimmtheit jedenfalls beim Arbeitsgericht regelmäßig ohne Erfolg bleiben. Im Übrigen werden die Anforderungen an die Bestimmtheit des Titels in der Praxis oft eher niedrig angesetzt.