Isabel Hexel, Martina Hidalgo
aa) Allgemeines
Rz. 486
Der Unterlassungsanspruch setzt ein Verhalten des Arbeitgebers voraus, durch das ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegenwärtig oder künftig verletzt wird. Zu prüfen ist erstens die Mitbestimmungswidrigkeit eines Verhaltens und zweitens eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr. Im Gegensatz zum Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG, der einen bereits begangenen groben Verstoß voraussetzt, kann der allgemeine Unterlassungsanspruch auch rein vorbeugend sein. Entsprechend den Grundsätzen zu §§ 1004, 823 BGB gibt es auch einen Beseitigungsanspruch in Bezug auf bereits eingetretene Folgen mitbestimmungswidrigen Verhaltens.
bb) Mitbestimmungstatbestände
Rz. 487
Unstreitig besteht der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei allen sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG. Die Argumentation des BAG, dass der Betriebsrat bis zu einer Einigung oder deren Ersetzung in der Einigungsstelle das mitbestimmungswidrige Verhalten nicht dulden muss, ist aber übertragbar auf andere echte Mitbestimmungstatbestände, die wie § 87 BetrVG die Einsetzung einer Einigungsstelle vorsehen, so § 94 (u.a. allgemeine Beurteilungsgrundsätze) und § 95 (Auswahlrichtlinien) und auch § 98 (Bildungsmaßnahmen) BetrVG. Auch im Bereich des § 78 S. 1 BetrVG ist der allgemeine Unterlassungsanspruch anerkannt worden.
Bei personellen Einzelmaßnahmen verneint das BAG einen allgemeinen, von § 23 Abs. 3 BetrVG unabhängigen Unterlassungsanspruch, da das Gesetz, wie § 100 BetrVG zeige, anders als bei § 87 Abs. 1 und bei § 95 Abs. 1 BetrVG in Kauf nehme, dass eine personelle Maßnahme i.S.v. § 99 BetrVG zumindest vorübergehend praktiziert werde, ohne dass ihre materielle Rechtmäßigkeit feststehe. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber in § 101 BetrVG die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die prozeduralen Anforderungen der §§ 99 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 2 BetrVG ausdrücklich geregelt, so dass das Gesetz bei einer Verletzung dieser Vorschriften die nachträgliche Beseitigung und nicht die vorbeugende Unterlassung der Störung vorsehe.
cc) Mitbestimmungswidriges Verhalten
Rz. 488
Mitbestimmungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen, die von einem Mitbestimmungstatbestand erfasst werden, ergreift, ohne dass hierfür die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Nicht erforderlich ist, dass der Betriebsrat überhaupt nicht beteiligt wurde. Selbst wenn der Betriebsrat informiert wurde, aber keine Stellungnahme abgegeben hat, darf der Arbeitgeber erst tätig werden, wenn er die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt hat. Ggf. muss er warten, bis die Einigungsstelle die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt.
Das gilt selbst dann, wenn es der Betriebsrat über mehrere Jahre unterlassen hat, einen Verstoß des Arbeitgebers gegen Mitbestimmungsrechte zu beanstanden. Eine Verwirkung von Mitbestimmungsrechten findet nicht statt.
Auf die Gründe, aus denen der Betriebsrat die Zustimmung verweigert, kommt es nicht an. So kann der Arbeitgeber sich nicht auf ein unzulässiges Koppelungsgeschäft berufen, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung beispielsweise von einer finanziellen Kompensation abhängig macht, da § 87 BetrVG keinen Katalog zulässiger Zustimmungsverweigerungsgründe enthält. Nur in "besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen" hält das BAG es für möglich, dass dem Unterlassungsanspruch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden kann. Im entschiedenen Fall ging es um die zwingend notwendige Dienstplanung in einem Krankenhaus. Die uneingeschränkte Arbeitszeit-Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG steht auch in (privatrechtlich organisierten) Krankenhäusern nicht in Frage, sondern ist dort angesichts der typischen Personalknappheit und des belastenden Schichtdienstes sogar von herausragender Bedeutung. Im Anlassfall war jedoch nicht ausschlaggebend, dass der Betriebsrat inhaltlich anderer Meinung war als der Arbeitgeber, sondern er hatte aus Sicht des BAG schon die Durchführung von Verhandlungen anhaltend blockiert, u.a. indem er sich der Errichtung der eindeutig zuständigen Einigungsstelle widersetzte, keine Beisitzer benannte u. v. m. Damit war es der Arbeitgeberin auch bei vorausschauendem Handeln nicht möglich, die Mitbestimmung zu wahren.
Eine Mitbestimmung entfällt, soweit eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit bereits vollständig abschließend durch Gesetz oder Tarifvertrag geregelt ist, § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. Das gilt nur für zwingende Vorschriften, die dem Arbeitgeber k...