Isabel Hexel, Martina Hidalgo
Rz. 695
Nach § 20 Abs. 1 BetrVG ist es untersagt, eine Betriebsratswahl zu behindern. Hierdurch wird der äußere Ablauf einer Betriebsratswahl geschützt. Betriebsratsbehinderungen sind demnach solche Handlungen, welche die Einleitung oder die Durchführung von Betriebsratswahlen erschweren. Beispiele dafür sind: Verweigerung von Wahlunterlagen oder Wahlräumen; ungerechtfertigte Kündigung oder Versetzung von Wahlbewerbern; Verbot gegenüber den Arbeitnehmern, die Arbeit wegen der Betriebsratswahlen zu verlassen; Abmahnung wegen zulässiger Wahlwerbung.
Nach § 20 Abs. 2 BetrVG sind aber auch Einflussnahmen auf die Betriebsratswahlen untersagt, sofern sie durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen geschehen. Hierdurch wird die Freiheit der Willensbildung geschützt. Beispiele unzulässiger Beeinflussung sind: Gewährung von Wahlkampfmitteln nur an eine genehme Liste; die Androhung finanzieller Nachteile bei Wahl einer bestimmten Liste; das Versprechen einer Gehaltserhöhung bei Wahl einer bestimmten Liste. Nicht unter § 20 Abs. 2 BetrVG fällt dagegen, wenn der Arbeitgeber vor Konsequenzen warnt, die nicht von seinem Willen abhängen. Dies ist kein Androhen von Nachteilen. Daher ist es keine unzulässige Wahlbeeinflussung, wenn der Arbeitgeber darauf hinweist, dass bei der Wahl einer bestimmten Liste Schaden für das Unternehmen zu erwarten sei. Auch das Sammeln von Stützunterschriften durch den Arbeitgeber oder leitende Angestellte stellt für sich gesehen keine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, weil keine Nachteile angedroht oder Vorteile versprochen werden.
Die bisher überwiegende Auffassung folgert allerdings aus § 20 BetrVG, dass sich der Arbeitgeber generell neutral verhalten muss, und er sich nicht zugunsten einzelner Kandidaten oder Listen äußern darf. Das soll auch für leitende Angestellte gelten, die pauschal dem Arbeitgeberlager zugerechnet werden. Diese Auffassung zu Lasten von Arbeitgeber und leitenden Angestellten ist sehr weitgehend, sie lässt sich § 20 BetrVG nicht einmal ansatzweise entnehmen und ist abzulehnen. Dem hat sich mittlerweile auch das Bundesarbeitsgericht angeschlossen. Das bedeutet im Einzelnen: Insbesondere dann, wenn Wahlbewerber oder Gewerkschaften den Arbeitgeber im Wahlkampf angreifen, muss sich dieser verteidigen können, durchaus auch mit deutlichen Worten. Aber auch sonst lässt sich mit guten Gründen in Zweifel ziehen, dass der Arbeitgeber keinerlei Wahlwerbung betreiben und sich nicht äußern darf. Er muss schließlich später auch mit dem Betriebsrat zum Wohle des Betriebs und der Arbeitnehmer zusammenarbeiten. Und die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit gilt auch für den Arbeitgeber. Er darf im Zusammenhang mit einer Wahlwerbung lediglich keine Nachteile androhen/zufügen oder Vorteile versprechen/gewähren. Das und nur das untersagt § 20 Abs. 2 BetrVG. Leitende Angestellte genießen erst recht den Schutz der Meinungsfreiheit, dem wird die pauschale Zurechnung des Arbeitgeberlagers nicht gerecht.
Auch aus Art. 9 Abs. 3 GG lässt sich ein Neutralitätsgebot des Arbeitgebers nicht ableiten. Denn zum einen schützt dieser Artikel das Recht der Koalitionen, zu denen der Betriebsrat nicht gehört. Zum anderen spricht Art. 9 Abs. 3 GG ausdrücklich nur davon, dass die Koalitionsfreiheit nicht eingeschränkt oder behindert werden darf. Von einem Neutralitätsgebot ist dort nicht die Rede.
Die Verbote des § 20 BetrVG richten sich nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern gegen jeden, also auch den Wahlvorstand, den amtierenden Betriebsrat, die Gewerkschaft oder einzelne Arbeitnehmer.