Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 460
Die Einsetzung der Einigungsstelle wird weder ausdrücklich beantragt noch im gerichtlichen Beschluss tenoriert. Dennoch ist der Antrag zurückzuweisen, wenn die Einigungsstelle wegen offensichtlich fehlender Zuständigkeit für den geltend gemachten Regelungsgegenstand oder wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht einzusetzen ist.
Rz. 461
Im Hinblick auf die Zuständigkeit der Einigungsstelle ist der Prüfungsumfang des Gerichts auf einen Offensichtlichkeitsmaßstab begrenzt: Nach § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG kann der Antrag nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.
Eine offensichtliche Unzuständigkeit liegt nur vor, wenn für das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der streitigen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt. Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle kann aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen folgen. Sie ist beispielsweise gegeben, wenn für das Gericht sofort erkennbar ist, dass sich die beizulegende Streitigkeit unter keinen Mitbestimmungstatbestand subsumieren lässt, wenn von dem einschlägigen Mitbestimmungsrecht bereits durch Abschluss einer ungekündigten Betriebsvereinbarung Gebrauch gemacht wurde, wenn zwischen den Betriebspartnern bereits rechtskräftig entschieden wurde, dass das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nicht besteht, oder wenn eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts existiert, wonach dem Betriebsrat in der einschlägigen Konstellation kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Nicht offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn das Bestehen des Mitbestimmungsrechts in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist. Gleiches gilt, wenn das Bundesarbeitsgericht zur einschlägigen Rechtsfrage nur vereinzelt Stellung genommen hat und an dieser Rechtsauffassung beachtliche Kritik in der Instanzrechtsprechung oder der Literatur geäußert wurde.
Rz. 462
Umstritten ist, ob der Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle für mehrere streitige Regelungskomplexe begründet ist, wenn die Einigungsstelle für lediglich einen dieser Regelungskomplexe offensichtlich unzuständig ist. In einem über zwanzig Jahre alten obiter dictum war das Bundesarbeitsgericht der Ansicht, dass ein solcher Antrag schon dann vollumfänglich begründet sei, wenn die Einigungsstelle bezüglich nur einer der im Streit stehenden Regelungsgegenstände nicht offensichtlich unzuständig ist. Gegen diese Auffassung spricht, dass die Einigungsstelle dann auch für Regelungsstreitigkeiten eingesetzt wird, bei denen es offensichtlich an einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats fehlt. Sachgerechter ist es, jeden abtrennbaren Regelungskomplex einer gesonderten Prüfung zu unterziehen und dem Antrag gegebenenfalls nur teilweise stattzugeben.
Im Rahmen eines freiwilligen Einigungsstellenverfahrens nach § 76 Abs. 6 BetrVG ist eine offensichtliche Unzuständigkeit gegeben, wenn der Regelungsgegenstand außerhalb der dem Betriebsrat vertraglich eingeräumten Regelungskompetenz liegt.