Isabel Hexel, Martina Hidalgo
Rz. 96
Voraussetzung einer betriebsbedingten Kündigung ist der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für den gekündigten Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss in der Klageerwiderung darlegen, ob das Beschäftigungsbedürfnis aufgrund außerbetrieblicher Ursachen (z.B. Auftragsmangel, Umsatzrückgang) oder innerbetrieblicher Ursachen, d.h. einem organisatorischen Entschluss (z.B. Umorganisation, Stilllegung oder Fremdvergabe bestimmter Bereiche oder Änderung des Anforderungsprofils bestimmter Arbeitsplätze) entfällt.
Begründet er den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit mit außerbetrieblichen Gründen (sog. selbstbindende Unternehmerentscheidung), so muss er das Vorliegen dieses Grundes unter Angabe genauer Zahlen im Einzelnen darlegen und nachweisen, dass zwangsläufige Folge dieses Grundes der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit ist. Beruft sich der Arbeitgeber beispielsweise auf einen Umsatzrückgang, so muss er konkret darlegen und ggf. beweisen, dass ein dauerhafter Umsatzrückgang in einem bestimmten Umfang eingetreten ist und unmittelbar dadurch die Beschäftigungsmöglichkeit für eine bestimmte Anzahl an Arbeitnehmern entfallen ist. Diese Darlegung erfordert nicht nur die (oftmals unerwünschte) Offenlegung der Geschäftszahlen und Kalkulationsgrundlagen, sondern ist häufig auch mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Betriebsbedingte Kündigungen werden daher in der Praxis zumeist auf innerbetriebliche Ursachen gestützt.
Rz. 97
Praxishinweis
Außerbetriebliche Ereignisse sollten nur zum Anlass einer gestaltenden, innerbetrieblichen Umorganisationsentscheidung genommen werden.
Rz. 98
Begründet der Arbeitgeber den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit mit innerbetrieblichen Gründen (sog. gestaltende Unternehmerentscheidung), so hat er darzulegen (i) wann er welche Entscheidung getroffen hat, (ii) dass er diese Entscheidung umgesetzt hat und (iii) wie sich die Umsetzung der Entscheidung auf den betrieblichen Beschäftigungsbedarf auswirkt. Nicht darzulegen braucht er seine Motivation sowie die sachliche Rechtfertigung und wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Organisationsentscheidung. Denn von den Arbeitsgerichten nachprüfbar ist nur, ob die Unternehmerentscheidung getroffen und tatsächlich umgesetzt wurde und hierdurch das Beschäftigungsbedürfnis des Arbeitnehmers entfallen ist. Im Übrigen beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf eine Missbrauchskontrolle, d.h. die Gerichte prüfen ausschließlich, ob die Unternehmerentscheidung gesetzeswidrig, unsachlich oder willkürlich ist.
Besteht die Unternehmerentscheidung allerdings (beispielsweise durch den Abbau einer Hierarchieebene oder Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes) ausschließlich darin, den Personalbestand zu reduzieren, so ist vom Arbeitgeber anhand konkreter Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, wie der betriebliche Ablauf dauerhaft mit dem verringerten Personalbestand aussehen soll. Erforderlich ist eine schlüssige Prognose wie die Arbeit (ggf. nach einer Umverteilung) von dem verbleibenden Arbeitnehmern bewältigt werden kann, ohne dass diese überobligatorisch belastet werden.
Rz. 99
Praxishinweis
In der Praxis üblich ist es, die Unternehmerentscheidung vor Ausspruch der Kündigung in einem Geschäftsführungs- oder Gesellschafterbeschlusses schriftlich niederzulegen. Der Beschluss kann dann im Bestreitensfall im Kündigungsschutzprozess zum Nachweis, dass eine entsprechende Unternehmerentscheidung vor Ausspruch der Kündigung getroffen worden ist, vorgelegt werden.
Rz. 100
Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedarf es für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses. Die Rechtsprechung fordert für die Dringlichkeit, dass unter Beachtung der vom Arbeitgeber getroffenen Unternehmerentscheidung oder der geltend gemachten außerbetrieblichen Umstände keine zumutbaren alternativen Maßnahmen zur Verfügung stehen. Dies führt zwar nicht dazu, dass die Unternehmerentscheidung selber überprüft werden kann. Der Arbeitgeber hat jedoch darzutun, dass die Umsetzung der Unternehmernehmerentscheidung zwangsläufig zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führt. Dies ist nicht der Fall, wenn die Kündigung durch andere betriebliche Maßnahmen, wie beispielsweise den Abbau von Überstunden, vermieden werden konnte.