Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 584
Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers möglich sein. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 888 ZPO muss das Arbeitsgericht grundsätzlich Tatsachen berücksichtigen, die nach Erlass des zu vollstreckenden Urteiles eingetreten sind. Der Unmöglichkeitseinwand ist im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO zu berücksichtigen. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Arbeitgeber als Schuldner.
aa) Wegfall des Arbeitsplatzes
Rz. 585
Der Arbeitgeber kann im Vollstreckungsverfahren daher durchaus einwenden, dass der Arbeitsplatz zwischenzeitlich infolge einer Umorganisation weggefallen ist. Allerdings wird es als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn der Arbeitgeber sich eine titulierte Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung gezielt durch eine gerade dadurch motivierte Umorganisation unmöglich macht. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung berufen. Soweit sich der Arbeitgeber auf eine Umorganisation beruft, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt hat, muss er dies im Einzelnen substantiiert belegen.
Rz. 586
Der Weiterbeschäftigung kann ebenfalls entgegengehalten werden, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers oder vergleichbare Arbeitsplätze mittlerweile auf ein anderes Unternehmen nach § 613a BGB übergegangen ist und die Weiterbeschäftigung aus diesem Grund unmöglich geworden ist.
Praxistipp
Regelmäßig wird der Arbeitnehmer dem Argument des zwischenzeitlichen Wegfalls des Arbeitsplatzes infolge Umorganisation entgegenhalten, dass der Arbeitgeber sich hierdurch absichtlich der Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs entziehen wolle. Der Arbeitgeber hat demnach zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen, dass dies nicht der Fall ist. Im Laufe eines lang andauernden Kündigungsschutzverfahrens mit möglicherweise langer Freistellungsphase kann der Arbeitgeber durchaus argumentieren, dass er sich infolge der langen Abwesenheit des Arbeitnehmers zum Abbau seines Arbeitsplatzes entschieden hat.
bb) Weitere objektive Hindernisse
Rz. 587
Außerdem können weitere objektive, vom Arbeitgeber nicht beeinflussbare Hindernisse angeführt werden, die der Weiterbeschäftigung entgegenstehen. In Betracht kommen die Krankheit des Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverbot oder ein Hausverbot, das den Einsatz des Arbeitnehmers bei einem Dritten unmöglich macht.
Rz. 588
Gründe, über die das Gericht im Erkenntnisverfahren bereits entschieden hat (z.B. der Wegfall des Arbeitsplatzes im Falle einer betriebsbedingten Kündigung), müssen im Vollstreckungsverfahren unberücksichtigt bleiben.
cc) Folgekündigung, Auflösungsantrag
Rz. 589
Dem Weiterbeschäftigung kann auch entgegenstehen, wenn eine nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts ausgesprochene Folgekündigung oder ein in der Berufungsinstanz neu gestellter Auflösungsantrag zu einer neuen, zusätzlichen Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt.
Üblicherweise tritt in der Praxis die Konstellation auf, dass der Arbeitgeber gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, mit dem der Kündigungsschutzklage sowie dem Weiterbeschäftigungsanspruch stattgegeben wurde, Berufung einlegt und vorsorglich eine weitere Kündigung ausspricht. Im Ergebnis wird dabei überwiegend vertreten, dass eine Folgekündigung im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO allgemein nicht zu berücksichtigen ist.
Der Arbeitgeber sollte dann möglicherweise in Erwägung ziehen, im Berufungsverfahren einen Antrag nach § 62 Abs. 1 S. 2 und 3 ArbGG auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu stellen. Bei den Landesarbeitsgerichten wird in dieser Konstellation allerdings nicht einheitlich beurteilt, ob der Arbeitgeber bei einer Folgekündigung einen nicht zu ersetzenden Nachteil darlegen muss. Einige Landesarbeitsgerichte vertreten die Ansicht, dass es bei einer zweiten Kündigung, die nach Ende der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausgesprochen wurde, keines nicht zu ersetzenden Nachteils bedarf. Der Arbeitgeber könne eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung über die §§ 769, 767 ZPO erzielen und dürfe nicht schlechter stehen, wenn er anstelle der Vollstreckungsgegenklage die Berufung einlegt. Darüber hinaus sollten nach § 62 Abs. 1 S. 2 ArbGG nicht solche Einwendungen ausgeschlossen werden, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz entstanden sind. Daher sei § 769 Abs. 1 ZPO analog...