Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 324
Die Hinzuziehung des Rechtsanwalts muss weiter erforderlich sein. Die Erforderlichkeit ist zu bejahen, wenn sich der Betriebsrat aufgrund fehlender Sachkunde das notwendige Wissen nur durch einen Rechtsanwalt verschaffen kann, um die ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber sachgemäß erfüllen zu können. Der Sachverständige soll somit konkrete Wissensdefizite ausgleichen. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich ist. Maßstab muss hier der Standpunkt eines vernünftigen Dritten sein, der die Interessen des Betriebs, des Betriebsrats und der Arbeitnehmer gegeneinander abwägt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimmt sich die Erforderlichkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts in erster Linie nach materiellen Gesichtspunkten. Die Hinzuziehung kann daher geboten sein, wenn der Regelungsgegenstand schwierige Rechtsfragen aufwirft, die zwischen den Beteiligten umstritten sind und kein Betriebsratsmitglied über den zur sachgerechten Interessenwahrnehmung und Verhandlungsführung notwendigen juristischen Sachverstand verfügt. Dem Verhalten des Arbeitgebers kommt insoweit nur eine indizielle Bedeutung zu, d.h. lässt sich dieser in den Verhandlungen durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist dies ein Indiz dafür, dass die Regelungsmaterie mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war. Dagegen fehlt es an der Erforderlichkeit für die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 S. 1 BetrVG, wenn sich der Betriebsrat die fehlende Sachkunde kostengünstiger als durch die Beauftragung des Sachverständigen verschaffen kann. Der Betriebsrat hat daher zum Erwerb des notwendigen Fachwissens zunächst die innerbetrieblichen Erkenntnisquellen zu erschließen, ehe er die mit Kosten verbundene Beauftragung eines Sachverständigen als erforderlich ansehen darf. Diese Verpflichtung resultiert aus den Grundsätzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit. Die Mitglieder des Betriebsrats haben sich insbesondere um die selbstständige Aneignung der notwendigen Kenntnisse zu bemühen und gegebenenfalls weitere, ihnen vom Arbeitgeber gebotene Möglichkeiten der Unterrichtung durch sachkundige Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens zu nutzen. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist daher auch dann nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat seine Informationen auch durch Fachliteratur oder im Internet erlangen könnte. Dies darf der Betriebsrat nicht von vornherein mit der pauschalen Begründung ablehnen, diese Personen besäßen nicht das Vertrauen des Betriebsrats, weil sie im Dienste des Arbeitgebers stünden und deshalb nicht als neutral oder objektiv angesehen werden könnten.
Rz. 325
Schließlich kann der Betriebsrat die Hinzuziehung eines Sachverständigen grundsätzlich nur verlangen, wenn das Verfahren nach § 80 Abs. 2 BetrVG erfolglos durchgeführt worden ist. Sind die Informationen des Arbeitgebers aus Sicht des Betriebsrats unzureichend, ist der Betriebsrat aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, von sich aus initiativ tätig zu werden und an den Arbeitgeber heranzutreten. Tut er dies nicht, liegt hierin eine unzureichende Erschließung einer innerbetrieblichen Erkenntnisquelle, die der Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen entgegensteht.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wird z.B. bei schwierigen Rechtsfragen sowie Vorbereitungen für einen Interessenausgleich und Sozialplan oder Beschäftigungssicherungsplan für erforderlich gehalten.
Praxistipp
Bitte beachten Sie, dass sich in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern der Anspruch des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines externen Beraters für Interessenausgleichverhandlungen unmittelbar aus § 111 S. 2 BetrVG ergibt, ohne eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber treffen zu müssen. Dies sah der Gesetzgeber als erforderlich an, weil sich das Verfahren zur Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG als zu zeitaufwendig erwiesen habe. Durch die Beratung soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, die Auswirkungen einer geplanten Betriebsänderung rasch zu erfassen und in kurzer Zeit fundierte Alternativvorschläge so rechtzeitig zu erarbeiten, dass er auf die Entscheidung des Arbeitgebers noch Einfluss nehmen kann.
Für die Sozialplanverhandlungen steht dem Betriebsrat aber auch in diesen Unternehmen ein Anspruch auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nach § 80 Abs. 3 BetrVG zu.