Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
aa) Beschwerdebegründungsfrist
Rz. 175
Die geringe Quote erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerden in den letzten Jahren (zwischen 5 und 10 Prozent) hängt auch mit den strengen Anforderungen dieses Rechtsbehelfs zusammen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu begründen (§ 72a Abs. 3 S. 1 ArbGG). Die Frist beginnt unabhängig von der Einlegung der Beschwerde. Sie kann nicht verlängert werden. Die Begründung ist Zulässigkeitsvoraussetzung (§ 72a Abs. 5 S. 3 ArbGG).
bb) Inhaltliche Anforderungen
Rz. 176
Der Beschwerdeführer hat die Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision ergeben. Sein Vortrag hat sich an den Zulassungsgründen des § 72a Abs. 3 ArbGG zu orientieren.
Der Beschwerdeführer muss die Zulassungsgründe, auf die er seine Beschwerde stützt, benennen und zu deren Voraussetzungen substantiiert vortragen. Erforderlich ist, dass das BAG allein auf der Grundlage des Berufungsurteils und der Beschwerdebegründung die Zulassungsvoraussetzungen prüfen kann. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die Voraussetzungen der Zulassung anhand der Akten zu ermitteln.
Rz. 177
Hat das LAG seine Entscheidung auf mehrere Begründungen gestützt, müssen mit der Nichtzulassungsbeschwerde alle Begründungen angegriffen und die hierfür erforderlichen Tatsachen vorgetragen werden. Anderenfalls ist die Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich.
Rz. 178
Erhebt der Beschwerdeführer eine sog. Grundsatzbeschwerde, so muss er die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit geltend machen. Ihr Erfolg hängt – zusammengefasst – davon ab, dass der Beschwerdeführer
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die durch die angefochtene Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret (wörtlich) formuliert, |
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die Entscheidung des Rechtsstreits von dieser Rechtsfrage abhängt, |
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die Rechtsfrage durch das BAG geklärt werden kann, |
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die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und |
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diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder sie wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. |
Eine Rechtsfrage in diesem Sinne ist eine Frage, welche die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat. Entscheidungserheblich ist die Frage, wenn sich das Landesarbeitsgericht mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen Beantwortung möglicherweise eine für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung getroffen hätte. Es reicht nicht aus, geltend zu machen, das LAG hätte sich mit der Frage befassen müssen.
Der Beschwerdeführer muss nachvollziehbar darlegen, warum die entscheidungserhebliche Frage klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist, sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Frage ist klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich nicht entschieden ist. Die Rechtsfrage sollte so konkret formuliert werden, dass sie mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann. Unzulässig ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort "Kann sein" hinausläuft.
Rz. 179
Stellt der Beschwerdegegner diesen Vortrag substantiiert in Frage, muss der Beschwerdeführer sein Vorbringen soweit vertiefen, dass die grundsätzliche Bedeutung der Auslegungsfrage plausibel bleibt. Das kann auch noch nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist geschehen.
Rz. 180
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann ferner auf eine sog. Divergenz gestützt werden. Dazu hat der Beschwerdeführer die Entscheidung zu bezeichnen, von der die anzufechtende Entscheidung abweicht. Dabei reicht die Nennung von Aktenzeichen und Datum nicht aus. Vielmehr muss er darlegen, dass die angegriffene Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der von einem abstrakten Rechtssatz eines divergenzfähigen Gerichts abweicht. Es muss sich jeweils um fallübergreifende Rechtssätze handeln, die in der Beschwerdebegründung wörtlich wiederzugeben und – zur Verdeutlichung – drucktechnisch hervorzuheben sind. Ein Rechtssatz ist aufgestellt, wenn das Gericht seiner Subsumtion einen Obersatz voranstellt, der über den Einzelfall hinaus für vergleichbare Sachverhalte Geltung beansprucht. Hat das LAG seiner Subsumtion keinen abstrakten Obersatz vorangestellt, ist der Beschwerdeführer gezwungen, den sich aus den einzelfallbezogenen Ausführungen des LAG ergebenden Rechtssatz selbst zu formulieren. Zur ordnungsgemäßen Begründung einer solchen Beschwerde ist es regelmäßig erforderlich, dass konkret und im Einzelnen begründet wird, warum das LAG von dem betreffenden Rechtssatz ausgegangen sein muss. Dabei hat der Beschwerdeführer darzulegen, wie und warum sich aus den fallbezogenen Ausführungen des LAG der behauptete Rechtssatz ab...