Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
aa) Instrument der Schutzschrift
Rz. 728
Es ist anerkannt, dass Schutzschriften auch im arbeitsrechtlichen Verfahren vom zuständigen Richter berücksichtigt werden müssen, wenn sie sich auf ein konkretes zu erwartendes Eilverfahren beziehen, die zu erwartenden Parteien hinreichend genau bezeichnen und den übrigen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozesshandlung genügen. Seit dem 1.1.2016 gilt gemäß §§ 62 Abs. 2 S. 3, 85 Abs. 2 S. 3 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Abs. 1 ZPO eingestellte Schutzschrift als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht; Hessen führt ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Schutzschriftenregister. Während vor Einführung des Registers die Schutzschrift bei Zuständigkeit von mehreren Gerichten bei jedem hinterlegt werden musste, reicht nunmehr nur noch eine Schutzschrift; sie ist als elektronischer Schriftsatz, § 130 ZPO, an das Schutzschriftenregister zu richten. Auch bei Zuständigkeit mehrerer Gerichte ist stets nur ein Schriftsatz einzureichen, die Angabe des zuständigen Gerichts muss die Schutzschrift aufgrund der Einreichungsfiktion nicht mehr enthalten. Schutzschriften sind sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen, § 945a Abs. 2 S. 2 ZPO. Für Rechtsanwälte ist die Nutzung des Registers standesrechtlich obligatorisch, § 49c BRAO, ein Verstoß hat aber keine prozessualen Folgen.
bb) Spezielle Anmerkungen zum materiellen Problem des Tarifsozialplans
Rz. 729
Spätestens seit der Entscheidung des BAG vom 24.4.2007 herrscht weitgehend Einigkeit über die Rechtmäßigkeit eines Tarifsozialplans oder Sozialplantarifvertrags. Damit hat es folgende Bewandtnis: Liegen die Voraussetzungen der §§ 111 ff. BetrVG vor, stellt sich die Frage, ob parallel ein Tarifvertrag über die Inhalte abgeschlossen und ggf. durch Arbeitskampfmaßnahmen durchgesetzt werden darf, die üblicherweise Gegenstand eines Interessenausgleiches oder Sozialplanes sind (bspw. Abfindungen und Qualifizierungsmaßnahmen). Das BAG hält dies jedenfalls für zulässig, wenn kein Verstoß gegen die Friedenspflicht vorliegt, also insbesondere kein auf den bestreikten Arbeitgeber Anwendung findender Tarifvertrag die per Tarifsozialplan geforderten Komplexe bereits regelt und die übrigen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Arbeitskampf gegeben sind. Dabei lässt es das BAG grundsätzlich zu, dass auch verbandsangehörige Arbeitgeber wegen eines firmenbezogenen Verbands- oder eines Haustarifvertrags, gerichtet auf Abschluss eines Tarifsozialplanes, mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen werden. Insoweit sperren die §§ 111 ff. BetrVG wegen des Vorrangs der Tarifautonomie nicht und auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip soll durch die Parallelität der Verhandlungen nicht verletzt sein. Es muss sich jedoch immer um ein tariflich regelbares Ziel handeln, sodass beispielsweise die Forderung nach Standorterhaltung oder Verzicht auf die geplante Betriebsänderung ein rechtswidriges – weil nicht tariflich regelbares – Arbeitskampfziel darstellen würde. Diese Grundsätze sind in dem folgenden Muster einer Schutzschrift zu berücksichtigen, obgleich sich aus Art. 6 Nr. 4 ESC und Art. 11 EMRK Argumente gegen die Beschränkung auf tariflich regelbare Ziele ergeben sollen.