Isabel Hexel, Martina Hidalgo
Rz. 270
Verstöße gegen "Vorschriften über die Wählbarkeit" (passives Wahlrecht) beziehen sich auf § 8 BetrVG und mittelbar auf die §§ 4 bis 7 BetrVG, weil die Wahlberechtigung Voraussetzung der Wählbarkeit ist. Als Verstoß kommt daher die Wahl oder Zulassung nicht wählbarer Arbeitnehmer oder die Nichtzulassung wählbarer Arbeitnehmer als Wahlkandidaten in Betracht.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass auch ein gekündigter Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vor der Betriebsratswahl enden soll, zum Betriebsrat wählbar bleibt, wenn er vor der Wahl Kündigungsschutzklage erhoben hat, der Kündigungsschutzprozess aber im Zeitpunkt der Wahl noch nicht abgeschlossen ist. Gleiches gilt im Falle der Kündigung eines Wahlbewerbers, der ebenfalls noch so lange als betriebsangehörig und damit wählbar gilt, als die Wirksamkeit der Kündigung noch nicht feststeht. Denn andernfalls hätte es nach Ansicht des BAG der Arbeitgeber in der Hand, durch den Ausspruch unberechtigter Kündigungen die personelle Zusammensetzung des Betriebsrats zu beeinflussen. Auch ein im Vorfeld der Wahl durch rechtskräftigen Beschluss aus dem ehemaligen Betriebsrat ausgeschlossenes Betriebsratsmitglied verliert durch den Ausschluss seine Wählbarkeit nicht. Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften der Wählbarkeit liegt somit z.B. dann vor, wenn der Wahlvorstand die Wählbarkeit eines gekündigten Arbeitnehmers verkennt.
Obwohl Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb gem. § 7 S. 2 BetrVG das aktive Wahlrecht innehaben, wenn sie länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, sind sie im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG, § 2 Abs. 3 S. 2 WO.
Zu beachten ist aber, dass "in der Regel" beschäftigte Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten des § 9 BetrVG im Entleiherbetrieb mitzuzählen sind. Diese bereits zuvor seit der Entscheidung des BAG vom 13.3.2013 geltende Rechtsprechung wurde im Jahr 2017 vom deutschen Gesetzgeber im Zuge der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Gestalt des § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG auch normativ verankert. Mithin zählen "in der Regel" beschäftigte Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße und der Anzahl der Betriebsratsmitglieder mit; dies gebietet auch eine am Sinn und Zweck der gesetzlichen Schwellenwerte orientierte Auslegung des § 9 BetrVG. Denn durch die in § 9 BetrVG vorgesehene Staffelung soll sichergestellt werden, dass die Zahl der Betriebsratsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betriebsangehörigen Arbeitnehmer steht, deren Interessen und Rechte der Betriebsrat zu wahren hat. Schließlich wird hiervon der Tätigkeitsaufwand des Betriebsrats maßgeblich bestimmt. Das BAG sieht eine angemessene Interessenvertretung als gefährdet an, wenn die Zahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer deutlich steigt, ohne dass dies bei der Betriebsratsgröße Berücksichtigung findet. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass in Betrieben mit bis zu 51 Arbeitnehmern nur wahlberechtigte Arbeitnehmer für die Betriebsratsgröße maßgeblich sind. In Betrieben mit mehr als 51 Arbeitnehmern kommt es auf die Frage der Walberechtigung der Arbeitnehmer sowohl nach dem Wortlaut des § 9 S. 1 BetrVG als auch nach der BAG Rechtsprechung nicht mehr an. Daher kommt es insbesondere beim jeweils kurzfristigen Einsatz von (wechselnden) Leiharbeitnehmern von weniger als drei Monaten auf Dauerarbeitsplätzen, die für die Belegschaftsstärke im Betrieb kennzeichnend sind, bei der Frage der Berücksichtigung dieser (nicht wahlberechtigten) Leiharbeitnehmer auf die Betriebsgröße an; während sie in Betrieben mit bis zu 51 Arbeitnehmern nicht mitzuzählen sind, zählen sie in Betrieben mit mehr als 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern sehr wohl mit.
Ferner ist in Bezug auf das passive Wahlrecht im Zusammenhang mit Leiharbeitnehmern folgendes zu berücksichtigen: Begründet der Entleiher mit einem Leiharbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an dessen Überlassung ein Arbeitsverhältnis, ist dessen Beschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer im entleihenden Betrieb auf die in § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG für die passive Wählbarkeit vorausgesetzte sechsmonatige Dauer der Betriebszugehörigkeit anzurechnen. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang bisher noch, ob das Nichterreichen der sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit zum Wahlzeitpunkt, d.h. ein Verstoß gegen die Wählbarkeitsvorschrift des § 8 BetrVG z.B. dadurch geheilt werden kann, dass ein gewähltes Betriebsratsmitglied die erforderliche Betriebszugehörigkeit während des Wahlanfechtungsverfahrens erreicht.