Isabel Hexel, Martina Hidalgo
aa) Korrigierender Eingriff und Abbruch der Wahl
Rz. 706
Die einstweilige Verfügung kann auf die Korrektur eines Fehlers des Wahlvorstandes gerichtet sein. Beispiele sind: Aufnahme oder Streichung eines Arbeitnehmers aus der Wählerliste; Zulassung oder Nichtzulassung eines Wahlvorschlags; Bestimmung einer anderen Betriebsratsgröße. Der Wahlvorstand hat dann im weiteren Wahlverfahren die Entscheidung des Gerichts zugrunde zu legen. Allerdings kommt eine solche Korrektur häufig nicht mehr ohne Weiteres in Betracht. Im laufenden Wahlverfahren sind nämlich verschiedene Fristen einzuhalten, insbesondere die Frist des § 3 WO, aber auch die Wochenfrist des § 10 Abs. 2 WO. Nach überwiegender Auffassung dürfen diese Fristen durch den korrigierenden Eingriff nicht verkürzt werden; auch eine Verschiebung dieser Fristen wird für unzulässig gehalten. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass nur bis zur formellen Einleitung der Wahl ein korrigierender Eingriff hinsichtlich eines (konkret absehbaren) Fehlers beantragt werden kann. Zwingend ist diese Auffassung aber keineswegs. Vor dem Hintergrund, dass das BAG den Abbruch der Betriebsratswahlen erschwert hat (vgl. oben Rdn 705), ist darüber nachzudenken, die Verschiebung von Fristen des Wahlverfahrens aufgrund korrigierender Eingriffe großzügiger zu handhaben.
Ist die Betriebsratswahl bereits eingeleitet, kommen auch ein Abbruch und eine Neueinleitung der Wahl in Betracht. Im Vergleich zu einer bloßen Korrektur im laufenden Verfahren stellt dies zwar den weitergehenden Eingriff dar. Aber auch ein solcher Wahlabbruch ist nicht sakrosankt: das Verfahren wird schlicht noch einmal von vorne begonnen. Betriebsverfassungsrechtliche Rechtspositionen werden dadurch nicht verkürzt. Nur dann, wenn es durch einen Abbruch der Wahl ausnahmsweise zu einem längeren betriebsratslosen Zustand käme, mag anderes gelten. In einem solchen Fall kann aber noch Folgendes erwogen werden: Der Arbeitgeber sichert zu, den bisherigen Betriebsrat auch über die eigentliche Amtszeit hinaus bis zur Konstitution des neuen Betriebsrats anzuerkennen, so dass kein betriebsratsloser Zustand entsteht.
Solche einstweiligen Verfügungen auf Korrektur oder Abbruch der Wahl könnten zwar unter dem Gesichtspunkt kritisiert werden, dass sie als sog. Leistungsverfügungen die Hauptsache vorwegnähmen. Angesichts der Alternative – langwieriges Anfechtungsverfahren, demokratisch unzureichend legitimierter Betrieb, erhebliche Kosten für Neuwahlen – ist dies aber hinzunehmen.
Rz. 707
Allerdings ist damit zu rechnen, dass künftig der Abbruch von Betriebsratswahlen aufgrund der restriktiven Entscheidung des BAG nur noch in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. oben Rdn 705).
Praxistipp für die Antragstellung
Im Hinblick auf das Stufenverhältnis von Korrektur und Abbruch bietet es sich an, mit einem Hauptantrag auf Korrektur der Wahl und einem Hilfsantrag auf Abbruch und Neueinleitung der Wahl zu operieren. Widersprüchlich und daher prozessual unzulässig ist es, in einem einzigen Antrag zugleich Berichtigung und Abbruch der Wahl geltend zu machen.
bb) Aufschub der Wahl bis zum Abschluss des Wahlverfahrens
Rz. 708
Durch eine einstweilige Verfügung kann grundsätzlich nicht der Aufschub der Wahl bis zur Klärung der Frage im Hauptsacheverfahren erreicht werden. Zwar hätte dies den Vorteil, dass eine solche Sicherungsverfügung nicht die Hauptsache vorwegnähme, aber: Die rechtskräftige Klärung in der Hauptsache kann Monate, wenn nicht sogar ein bis zwei Jahre dauern, es käme also zu langen betriebsratslosen Zuständen. Dies ließe sich nicht mit dem BetrVG in Einklang bringen.
cc) Feststellungsverfügungen
Rz. 709
Sehr zurückhaltend ist die Rechtsprechung bei Feststellungsanträgen im Wege der einstweiligen Verfügung. Diese Zurückhaltung ist durchaus verständlich: Zum einen ist eine solche feststellende einstweilige Verfügung nicht erforderlich, da Leistungsanträge gestellt werden können ...