Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 32
Zusammen mit dem Antrag nach § 4 KSchG (Klageverbindung gem. § 260 ZPO), aber auch davon unabhängig, kann eine allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) erhoben werden, mit der der Bestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht wird. In der Musterklage unter Rdn 7 findet sich ein solcher Antrag unter der Nr. 2. Ziel dieser Klage ist die Feststellung, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, längstens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Ob es solch eines allgemeinen Feststellungsantrags neben dem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG bedarf, wird uneinheitlich beantwortet, gerade angesichts des erweiterten punktuellen Streitgegenstands des Kündigungsschutzantrags (s. Rdn 21). Denn mit der diesem Antrag stattgebenden Entscheidung steht fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vorgesehenen Auflösungstermin nicht durch andere Tatbestände beendet worden ist ("kleiner Schleppnetzantrag").
Der allgemeine Feststellungsantrag ergibt daneben Sinn, wenn nicht nur eine bestimmte Kündigung angegriffen werden soll, sondern weitere Auflösungstatbestände (Anfechtung, Eigenkündigung, Aufhebungsvertrag usw.) im Raum stehen oder die Gefahr besteht, dass weitere Kündigungen (etwa in Schriftsätzen) ausgesprochen werden, die das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt beenden sollen. Kommt es im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens, in dem zusätzlich eine allgemeine Feststellungsklage erhoben worden ist, zu solchen weiteren Kündigungen (sog. Folgekündigungen), müssen diese (zunächst) nicht innerhalb von drei Wochen gesondert mit der Kündigungsschutzklage angegriffen werden, auch wenn es sich um solche handelt, die vor oder nach dem durch den Kündigungsschutzantrag erfassten Zeitraum ausgesprochen wurden. Der allgemeine Feststellungsantrag sollte aber bis spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz den Erfordernissen des § 4 KSchG angepasst werden. Durch diese Antragskombination – wenn nicht schon durch den erweiterten punktuellen Streitgegenstand des Antrags nach § 4 S. 1 KSchG – wird der Arbeitgeber gezwungen, sämtliche Tatsachen darzulegen und in den Prozess einzuführen, die in den von den Anträgen erfassten Zeiträumen zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben sollen. Benennt er mögliche Beendigungstatbestände nicht, kann er sich nach Rechtskraft der Entscheidung auf diese Tatbestände nicht mehr berufen. Es steht dann rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem im Antrag genannten Zeitpunkt bzw. bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bestanden hat.
Das für die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob dem Kläger eine weitere Kündigung zugegangen ist oder ob ein anderer Beendigungstatbestand eingetreten ist. Die abstrakte Möglichkeit, dass sich der Arbeitgeber auf weitere Beendigungstatbestände beruft, reicht nicht aus. Es empfiehlt sich, den allgemeinen Feststellungsantrag ausdrücklich als solchen zu stellen und zu begründen. Fügt der Kläger dem Antrag nach § 4 KSchG den Zusatz bei, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht, muss das Gericht ermitteln (§ 139 ZPO), ob der Zusatz prozessrechtlich eine vorsorgliche Feststellungsklage sein soll oder ein (unnötiges) Anhängsel zum Kündigungsschutzantrag. Die nicht weiter begründete vorsorgliche Feststellungsklage ist unzulässig. Das Feststellungsinteresse muss zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Erklärt der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt, weitere Beendigungstatbestände lägen neben der angegriffenen Kündigung nicht vor, wird der allgemeine Feststellungsantrag in der Praxis zumeist zurückgenommen.