Isabel Hexel, Martina Hidalgo
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 283
In einem Einzelhandelsunternehmen mit ca. 1.000 Arbeitnehmern verlangt der Betriebsrat die Zurverfügungstellung eines betriebsüblichen Kopierers sowie eines Telefaxgerätes zu seiner ausschließlich alleinigen Nutzung. Darüber hinaus hat der Betriebsrat ein Abonnement der Zeitschrift "Arbeitsrecht im Betrieb" abgeschlossen und verlangt nun Freistellung von den Kosten. Die Arbeitgeberin lehnt das Begehren des Betriebsrats trotz der zu seinen Gunsten ergangenen gerichtlichen Entscheidung darüber ab, mit der Begründung, die von ihr bereits abonnierte und dem Betriebsrat zur Verfügung gestellte NZA erfülle bereits ausreichend dessen Informationsbedürfnis. Zudem erscheine die gewünschte Zeitschrift im gewerkschaftseigenen Verlag, den die Arbeitgeberin nicht zu unterstützen beabsichtigt. Der Betriebsrat wendet sich daraufhin an das zuständige Arbeitsgericht.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Grundsatz für die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Betriebsratstätigkeit
Rz. 284
Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Gegenüber dieser allgemeinen Kostentragungspflicht fordert § 40 Abs. 2 BetrVG den Arbeitgeber dazu auf, dem Betriebsrat für Sitzungen, Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen. § 40 Abs. 2 BetrVG stellt somit keine Konkretisierung der Kostentragungspflicht des Abs. 1 dar, sondern ist eine Sonderregelung in Form eines Überlassungsanspruchs. Das Auswahlrecht bei der Beschaffung von Sachmitteln steht mithin dem Arbeitgeber zu. Kommt dieser der Beschaffungspflicht nicht nach, ist der Betriebsrat nach bisheriger Ansicht des BAG nicht berechtigt, auf Kosten des Arbeitgebers Sachmittel selbst zu beschaffen, Büroräume anzumieten oder Büropersonal einzustellen. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann der Betriebsrat die Sachmittel selbst beschaffen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Arbeitgeber entgegen einer gerichtlichen Entscheidung weigert, die erforderlichen Sachmittel zu überlassen oder die Erfüllung der Pflicht so verzögert, dass dadurch die ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit unmöglich oder erheblich beeinträchtigt wird.
Ob in den besonderen Ausnahmefällen der Betriebsrat die Verträge zur Beschaffung von erforderlichen Sachmitteln selbst abschließen kann, ist seitens der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden. Der Betriebsrat hätte dann gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung. Der BGH hat lediglich eine Teilrechtsfähigkeit zum Abschluss von Verträgen bei der Beauftragung von Beratern anerkannt, soweit der Betriebsrat den Vertrag im Rahmen seines gesetzlichen Wirkungskreises schließt. Hinsichtlich der Überlassung von Sachmitteln wird sich das Problem der Teilrechtsfähigkeit in der Praxis aber wohl nicht stellen. Zum einen handelt es sich um seltene Ausnahmefälle, in denen der Betriebsrat selbst rechtsgeschäftlich handeln darf. Zum anderen besteht nach umstrittener Ansicht des BAG eine Haftung des handelnden Betriebsratsmitglieds nach § 179 BGB, soweit die Sachmittel nicht erforderlich sind. Der Betriebsrat wird daher auch in den Ausnahmefällen mit den Sanktionsmechanismen des Unterlassungsanspruchs nach § 23 BetrVG und der Straf- und Ordnungswidrigkeiten nach §§ 119, 120 BetrVG gegen den säumigen Arbeitgeber agieren, die Verträge aber im Zweifel nicht selbst abschließen.
b) Erforderlichkeit
Rz. 285
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Betriebsrat Sachmittel zur Verfügung zu stellen, besteht jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr setzt der Anspruch des Betriebsrats voraus, dass die sachlichen Mittel nach Art und Beschaffenheit des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sind. Die Beurteilung der Erforderlichkeit erfolgt einzelfallbezogen und richtet sich im Wesentlichen nach den Aufgaben des Betriebsrats, nach der Größe und Beschaffenheit des Betriebs, nach der Größe des Betriebsrats und nach den besonderen Erfordernissen im Einzelfall. § 40 Abs. 2 BetrVG gewährt somit keine – wie auch immer geartete – "Normalausstattung", so dass der Anspruch des Betriebsrats auf die Bereitstellung von Sachmitteln und Personal je nach Lage der Umstände im Einzelfall durchaus unterschiedlich beurteilt werden kann. Ungeachtet des § 40 Abs. 2 BetrVG enthält das BetrVG aber keine Begrenzung der Sachmittelausstattung nach oben. Der Arbeitgeber darf dem Betriebsrat daher aus eigenem Entschluss auch über die Erforderlichkeit hinausgehende Sachmittel zur Verfügung stellen.