Isabel Hexel, Martina Hidalgo
1. Allgemeines
a) Vorüberlegung: Erneuter Ausspruch der Kündigung?
Rz. 78
Nach Erhalt der Kündigungsschutzklage sollte zunächst – unabhängig vom Vorbringen in der Klageschrift – geprüft werden, ob die angegriffene Kündigung unter offensichtlichen Mängeln leidet. In Betracht kommen insbesondere die fehlende Anhörung des Betriebs- oder Personalrats (§§ 102 BetrVG, 75 BPersVG), ein Verstoß gegen Regelungen des besonderen Kündigungsschutzes (§ 9 MuSchG, § 18 BEEG, § 15 KSchG, § 168 SGB IX), eine berechtigte Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB oder die Missachtung des Schriftformerfordernisses (§ 623 BGB). Liegt ein solcher Mangel vor, so sollte die Kündigung erneut ausgesprochen werden.
Rz. 79
Praxishinweis
Wird eine neue Kündigung ausgesprochen, so ist zuvor erneut der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. Das gilt selbst, wenn die Kündigung nur wegen formeller Mängel (etwa einer Zurückweisung nach § 174 BGB) nochmals ausgesprochen wird.
Rz. 80
Geprüft werden sollte auch, ob die Kündigungsschutzklage selber an offensichtlichen Mängeln leidet. Die Einhaltung der dreiwöchigen Klageerhebungsfrist gemäß § 4 KSchG hat das Gericht zwar von Amts wegen zu prüfen, andere Fehler können jedoch durch rügelose Einlassung geheilt werden.
b) Zeitpunkt der Beklagtenreaktion
Rz. 81
Ein schriftliches Vorverfahren gibt es im Arbeitsgerichtsverfahren und daher auch im Kündigungsschutzprozess nicht. Für den beklagten Arbeitgeber besteht keine Verpflichtung, bereits vor dem obligatorischen Gütetermin zu erwidern. Auch wenn – was in der Praxis nicht unüblich ist – mit der Zustellung der Klage und Ladung zum Gütetermin die Aufforderung erfolgt, unverzüglich oder innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist auf die Kündigungsschutzklage materiell zu erwidern, entstehen dem Arbeitgeber durch die Nichtbeachtung keine prozessualen Nachteile. Aus § 61a Abs. 3 ArbGG folgt, dass eine Klageerwiderung bis zur Güteverhandlung nicht zwingend ist.
Dennoch sollte geprüft werden, ob im Einzelfall die Einreichung einer Klageerwiderung vor dem Gütetermin sinnvoll ist. Dies hängt von den Erfolgsaussichten und der Komplexität des Sachverhalts ab. Eine Erwiderung vor dem Gütetermin ist insbesondere sinnvoll, wenn damit die Vergleichsgespräche in der Güteverhandlung zugunsten des Arbeitgebers beeinflusst werden können.
Rz. 82
Praxishinweis
Wird die Klageerwiderung, was in der Praxis häufig vorkommt, erst wenige Tage vor dem Gütetermin dem Gericht zugeleitet, so ist es üblich, dem Klägervertreter die Erwiderung vorab zu übermitteln und hierauf am Ende des Schriftsatzes hinzuweisen.
c) Inhalt der Klageerwiderung
Rz. 83
Die inhaltliche Ausgestaltung der Klageerwiderung orientiert sich in erster Linie an der Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess. Dem Arbeitnehmer obliegt es, die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in persönlicher und betrieblicher Hinsicht dazulegen und zu beweisen. Der Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sein Arbeitsverhältnis ohne rechtliche Unterbrechung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung länger als sechs Monate bestand und der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist.
Rz. 84
Der Arbeitgeber hat gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Das heißt er muss – sofern der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist – darlegen und beweisen, dass die Kündigung durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist. Während die Klageschrift sich auf Angaben zum Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes und zum Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung beschränken kann, muss der Arbeitgeber das Vorliegen einer dieser drei Kündigungsgründe substantiiert darlegen und beweisen. Die Einzelheiten der Darlegungs- und Beweislast variieren hinsichtlich der einzelnen Kündigungsgründe und werden jeweils vor den konkreten Mustern dargestellt.
Rz. 85
Hinsichtlich der Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Danach hat der Arbeitnehmer zunächst vorzutragen, dass überhaupt ein Betriebsrat besteht. Sofern der Arbeitnehmer keine Kenntnis darüber besitzt, ob und mit welchem Inhalt es ein Anhörungsverfahren gegeben hat, kann er...