Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 430
Die 19-jährige A steht kurz vor Abschluss ihrer Ausbildung zur Film- und Videolaborantin. Ausbildendes Unternehmen ist die X-GmbH, die ihr Betätigungsfeld in der Filmindustrie hat. Die X-GmbH hat A bereits schriftlich mitgeteilt, sie nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen zu wollen. Demgegenüber verlangt A die Weiterbeschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Sie stützt ihr schriftlich niedergelegtes Verlangen darauf, dass sie während ihrer Ausbildungszeit in die Jugend- und Auszubildendenvertretung bei der X-GmbH gewählt wurde und deshalb in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen sei. Ferner ist sie der Ansicht, ein solches Arbeitsverhältnis werde nach Maßgabe des § 78a BetrVG bereits gesetzlich fingiert, ohne dass die X-GmbH dies verhindern könne. Die X-GmbH verfügt jedoch über keinen freien Arbeitsplatz, auf dem sie A ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten entsprechend einsetzen könnte. Daher fragt sich der Geschäftsführer der X-GmbH, ob das Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses verhindert oder zumindest ein qua gesetzlicher Fiktion begründetes Arbeitsverhältnis wieder aufgelöst werden kann.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Einführung
Rz. 431
§ 78a BetrVG dient dem Schutz Auszubildender, die in einem betriebsverfassungsrechtlichen Gremium tätig sind oder waren. Neben der Begründung eines Informationsrechts zugunsten des Auszubildenden (Abs. 1) wird dieser vor allem dadurch privilegiert, dass die Norm unter bestimmten Voraussetzungen ein an die Ausbildung anschließendes unbefristetes Arbeitsverhältnis fingiert (Abs. 2), gegen das der Arbeitgeber nur bei einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung erfolgreich gerichtlich vorgehen kann (Abs. 4). Der durch §§ 78, 103 BetrVG und § 15 KSchG gewährte amtsbezogene Schutz wird somit auf Auszubildende erweitert. Denn dem aus § 21 BBiG folgenden automatischen Ende des Ausbildungsverhältnisses wird gleichsam ein Recht auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gegenüber gestellt, soweit der Auszubildende Mitglied eines betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums ist. Die Kontinuität des Amtes wird so gewahrt.
Rz. 432
Der in § 78a Abs. 1 BetrVG statuierten Informationsverpflichtung des Arbeitgebers kommt lediglich eine geringe Bedeutung zu; die Norm ist im Kern eine reine Ordnungsvorschrift. Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Auszubildenden, der Mitglied eines betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums ist, nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, muss er dies dem Auszubildenden drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich mitteilen. Da jedoch gemäß § 78a Abs. 5 BetrVG die Voraussetzungen für die Fiktion eines unbefristetes Arbeitsverhältnisses sowie deren gerichtliche Anfechtung von der Mitteilungspflicht des Abs. 1 unabhängig sind, hat das Unterlassen der Unterrichtung nicht bereits zur Folge, dass automatisch ein Arbeitsverhältnis begründet würde. Allerdings kommen Schadensersatzansprüche des Auszubildenden gegenüber dem Arbeitgeber in Betracht, etwa wenn dieser in Erwartung der Übernahme infolge der verspäteten oder unterlassenen Mitteilung durch den Arbeitgeber ein anderes Arbeitsverhältnis ausgeschlagen hat.
Praxistipp
Bietet der Arbeitgeber dem Auszubildenden ein befristetes Arbeitsverhältnis oder ein solches in Teilzeit an, empfiehlt es sich für den Auszubildenden, dieses unter Vorbehalt anzunehmen, und die Rechte aus § 78a Abs. 2 BetrVG parallel geltend zu machen.