Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
1. Allgemeines
Rz. 373
§§ 99, 100 BetrVG gewähren dem Betriebsrat Mitwirkungsrechte bezüglich Einstellungen, Versetzungen und Ein- und Umgruppierungen. § 101 BetrVG soll diese Mitwirkungsrechte sichern, indem er gewährleistet, dass auch tatsächlich keine Beschäftigung entgegen den Mitwirkungsrechten erfolgt. Daher kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG verlangen, dass der Arbeitgeber die ohne seine Zustimmung durchgeführte personelle Maßnahme wieder aufhebt. "Mit der Vorschrift des § 101 BetrVG sollte dem Betriebsrat ein Werkzeug an die Hand gegeben werden, welches gewährleistet, dass der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats achtet und die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung einhält." Der so vom BAG angesprochene auch präventive Charakter der Vorschrift führt dazu, dass eine Maßnahme selbst dann zunächst aufgehoben werden muss, wenn eine gleiche Maßnahme unter Wahrung der §§ 99, 100 BetrVG inzwischen zulässig wäre.
Rz. 374
Da im Gegensatz zur Einstellung und Versetzung die Ein- oder Umgruppierung keinen Gestaltungsakt, sondern einen Beurteilungsakt darstellt, hat der Betriebsrat diesbezüglich nur ein Mitbeurteilungsrecht (Rechtskontrolle). Demgemäß unterscheiden sich die vom Betriebsrat zu stellenden Anträge erheblich, je nachdem, ob es um eine Einstellung oder Versetzung einerseits oder um eine Ein- oder Umgruppierung andererseits geht.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Allgemeines
aa) Antrag des Betriebsrats
Rz. 375
Den Antrag auf Aufhebung einer personellen Maßnahme stellt der Betriebsrat an das für den Betrieb zuständige (§ 82 Abs. 1 S. 1 ArbGG) Arbeitsgericht im Beschlussverfahren.
Wenn der Arbeitgeber die Maßnahme bereits vorgenommen und ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet hat, kann der Betriebsrat seinen Antrag auch als Gegenantrag im Zustimmungsersetzungsverfahren einbringen.
bb) Antrag des Arbeitgebers
Rz. 376
Demgegenüber kann der Arbeitgeber im Aufhebungsverfahren des Betriebsrats nach § 101 BetrVG nicht den Gegenantrag einbringen, die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Dem Arbeitgeber ist im Aufhebungsverfahren auch der Einwand verwehrt, in Wahrheit fehle dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsgrund. Der Arbeitgeber soll also mit seinem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht warten dürfen, bis der Betriebsrat das Aufhebungsverfahren nach § 101 BetrVG eingeleitet hat.
cc) Folgen für den Arbeitnehmer
Rz. 377
Eine betriebsverfassungsrechtlich unwirksame Maßnahme ist nicht in jedem Fall auch individualrechtlich unwirksam. "Die Durchführung einer personellen Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats stellt zunächst nur einen Pflichtverstoß gegenüber dem Betriebsrat dar; die Maßnahme ist betriebsverfassungsrechtlich unwirksam. Eine gleichzeitige individualrechtliche Unwirksamkeit kommt lediglich in Betracht, wenn Sinn und Zweck des Mitwirkungsrechts ein Durchschlagen der Rechtswidrigkeit von der kollektiven auf die individualrechtliche Ebene zwingend erfordern. Ob eine ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte personelle Einzelmaßnahme unwirksam ist, kann daher nicht einheitlich beantwortet werden; vielmehr ist für die Entscheidung dieser Frage vom Schutzzweck des jeweils betroffenen Mitwirkungsrechts auszugehen."
Rz. 378
So ist der ohne Zustimmung des Betriebsrats oder trotz mangelhafter Anhörung des Betriebsrats abgeschlossene Arbeitsvertrag wirksam. Die betriebsverfassungswidrige Einstellung führt nur zu einem betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbot. Der Betriebsrat kann also verlangen, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht im Betrieb beschäftigt wird. Der Arbeitnehmer selbst kann sich hierauf i.S.d. Berechtigung zur Verweigerung der Arbeit nur berufen, wenn der Betriebsrat die Aufhebung der Einstellung betreibt. In einem solchen Fall behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltzahlung trotz Nichtbeschäftigung.
Rz. 379
Auch ein betriebsverfassungsrechtswidriges Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch, sondern bedarf einer Kündigung. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beim Abschluss des Arbeitsvertrags über die Bedenken des Betriebsrats unterrichtet, kann er bei rechtskräftig festgestellter Betriebsverfassungsrechtswidrigkeit fristlos kündigen, anderenfalls fristgemäß.
Rz. 380
Anders ist es bei einer Versetzung. Das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung dient sowohl dem Schutz der Belegschaft als auch vorrangig dem Schutz des betroffenen Arbeitnehmers, wie der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG zeigt. Daher ist die ohne Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochene Versetzung auch individualrechtlich gem. § 134 BGB unwirksam und nicht davon abhängig, dass der Betriebsrat die Aufhebung der Maßnahme betreibt. In einem so...