Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
1. Allgemeines
Rz. 474
Der Spruch der Einigungsstelle beendet gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG die Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat mit der Wirkung, die eine Einigung der Betriebsparteien gehabt hätte. Da er sowohl Rechte und Pflichten für Betriebsrat und Arbeitgeber begründet als auch normativ auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer einwirkt, besteht häufig ein erhebliches Interesse der Parteien, den Spruch arbeitsgerichtlich überprüfen zu lassen. Das prozessuale Mittel dazu stellt die Anfechtung des Einigungsstellenspruchs im Beschlussverfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG dar.
Der Spruch der Einigungsstelle ist gerichtlich auf Rechtsverstöße und auf eine Überschreitung der Grenzen billigen Ermessens überprüfbar. § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG sieht vor, dass die Überschreitung der Ermessensgrenzen nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zuleitung des Beschlusses der Einigungsstelle geltend gemacht werden kann. Für die Geltendmachung von Rechtsverstößen besteht keine Frist.
2. Zulässigkeit
a) Antragsbefugnis
Rz. 475
Arbeitgeber und Betriebsrat sind regelmäßig antragsbefugt. Das analog § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist grundsätzlich für beide Betriebsparteien gegeben. Nur in Einzelfällen kann das Feststellungsinteresse ausnahmsweise zu verneinen sein, etwa wenn der Einigungsstellenspruch wegen eines erledigenden Ereignisses keine Wirkung mehr entfalten kann.
Die Einigungsstelle selber ist nicht beteiligtenfähig, da sie lediglich Hilfsfunktionen für die Betriebsparteien wahrnimmt, ihr aber keine eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechte zustehen.
Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sind nicht beteiligtenfähig, da ihnen keine allgemeine Aufsichtsfunktion im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen oder Sprüche der Einigungsstelle zugewiesen ist.
Ob Arbeitnehmer antragsbefugt sind, ist in der Literatur umstritten und höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Die wohl herrschende Meinung lehnt eine Antragsbefugnis zu Recht ab, da Arbeitnehmer nicht in einer für das Verfahren nach § 76 BetrVG erforderlichen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen sein können.
b) Antrag
Rz. 476
Die gerichtliche Entscheidung hat feststellende, nicht aber rechtsgestaltende Wirkung. Der Antrag ist daher auf die Feststellung der Unwirksamkeit des genau zu bezeichnenden Einigungsstellenspruchs zu richten. Hat die Einigungsstelle ihre Unzuständigkeit festgestellt, ist der Antrag auf das Bestehen des Mitbestimmungsrechts zu richten.
Gerichtlich überprüfbar ist nur der abschließende Spruch der Einigungsstelle, nicht aber Zwischenbeschlüsse, die sich auf den Verfahrensgang oder auf Vorfragen beziehen. Nicht eigenständig justiziabel ist daher insbesondere ein Zwischenbeschluss, mit dem die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit bejaht.
Es ist möglich, die Anfechtung auf einen Teil des Einigungsstellenspruchs zu begrenzen. Das setzt voraus, dass der tenorierte Teil ein abgrenzbares Teilrechtsverhältnis betrifft und die Betriebsparteien die übrigen Regelungen übereinstimmend gelten lassen wollen.
c) Begründung
Rz. 477
Die Begründung des Antrags erlangt wegen der Fristenregelung in § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG besondere Bedeutung im Fall der Rüge einer Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle. Denn innerhalb der Zwei-Wochen-Frist ist nicht nur der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs zu stellen, sondern es sind auch die Gründe der Ermessensüberschreitung im Einzelnen zu benennen. Das BAG hat zwar ausdrücklich offen gelassen, ob das Gericht nur solche Tatsachen berücksichtigen darf, die innerhalb der Zwei-Wochen-Frist vorgetragen wurden, oder ob es dem Antragsteller freisteht, die innerhalb der Frist vorgetragenen Gründe später zu konkretisieren und zu erweitern, solange dadurch nicht ein neuer Anfechtungsgrund eingeführt wird. Angesichts dieser Rechtsprechung ist es aus prozessualer Vorsicht geboten, den Antrag i...