Rz. 68
Für die Bewertung der Erfolgsaussichten einer Feststellungsklage ist zu unterscheiden zwischen
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deren Zulässigkeit, die ein Feststellungsinteresse voraussetzt, und |
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deren Begründetheit, die sich an der Möglichkeit des Schadenseintritts orientiert. |
a) Zulässigkeit – Begründetheit
Rz. 69
Die rechtstheoretische Trennung zwischen Zulässigkeit und Begründetheit kann aus der Rechtsprechung nicht immer sauber herausgelesen werden. Vielleicht ist dies den jeweils zugrundeliegenden Fällen geschuldet, vielleicht ist aber auch eine dogmatische Trennung in der Praxis nicht immer möglich oder war in den entschiedenen Fällen nicht von Relevanz.
b) Antrag
Rz. 70
Die Bestimmtheit eines auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klageantrags setzt voraus, dass die zum Ersatz verpflichtenden Ereignisse bestimmt bezeichnet werden, damit über den Umfang der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs keine Ungewissheit herrschen kann. Zur Auslegung des Klageantrags kann dabei auf das Klagevorbringen Bezug genommen werden.
Rz. 71
Verlangt der Geschädigte für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, werden durch den Klageantrag alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes). Dieser Grundsatz gilt auch für vorhersehbare zukünftige Schadensfolgen. Lediglich solche Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, sind vom Klageantrag nicht umfasst und können deshalb die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld und Gegenstand eines Feststellungsantrags sein.
Rz. 72
Die Rechtsprechung räumt dem Geschädigten die Möglichkeit ein, bei einem noch nicht hinreichend absehbaren Heilungs- oder Beeinträchtigungsverlauf den Schmerzensgeldantrag auf die bereits eingetretenen Verletzungsfolgen zu beschränken (sog. immaterieller Vorbehalt). Die Klage auf Feststellung der Haftung für weitere immaterielle Unfallschäden ist zulässig, wenn aus der Sicht des Verletzten bei verständiger Würdigung Grund besteht, mit Spätfolgen zu rechnen und ihretwegen einer Verjährungseinrede vorzubeugen. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines künftigen Schadens wenigstens zu rechnen. Ein derartiger Feststellungsausspruch neben der Zuerkennung von Schmerzensgeld meint nicht solche Schäden, die der Geschädigte noch nicht, weil deren Gewicht noch nicht ausreichend überschaubar war, zur richterlichen Entscheidung stellen wollte, sondern beschränkt sich darauf, bei erst später eingetretenen und nicht vorhersehbaren Spätschäden und dadurch begründetem Anspruch auf Ersatz weiteren Schmerzensgeldes den Geschädigten vor dem Eintritt einer Verjährung zu schützen. Ein zum "Ersatz jeden weiteren Schadens" verpflichtendes Feststellungsurteil erfasst mangels anderweitiger eindeutiger Hinweise (die sich z.B. aus den Urteilsgründen ergeben können) neben dem materiellen Schaden auch den immateriellen. Ist die Ersatzpflicht für künftige materielle Schäden festgestellt, läuft die Verjährung hinsichtlich der immateriellen Ansprüche weiter.