§ 3 Prozessuale Aspekte / G. Prozessvergleich

Rz. 243

§ 794 ZPO – Weitere Vollstreckungstitel

(1)

¹Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.

aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;

5.

aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.

Rz. 244

Den Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) zeichnet eine Doppelnatur aus:

▪	Der Prozessvergleich ist der Form nach eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach Verfahrensrecht bestimmt (Rdn 260 ff.),
▪	dem Inhalt nach jedoch ein materiell-rechtlicher Vertrag i.S.d. § 779 BGB, auf den die privatrechtlichen Bestimmungen anzuwenden sind.[312]

Rz. 245

Der Zivilprozess bietet drei verschiedene Formen des Zustandekommens des gerichtlichen Vergleichs (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) an:

▪	Protokollierung in der mündlichen Verhandlung gemäß §§ 159 ff. ZPO,
▪	die von beiden Parteien vorgenommene Unterbreitung eines schriftlichen Vergleichsvorschlags an das Gericht (§ 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO) und
▪	die schriftliche Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags durch die Parteien (§ 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 ZPO).

Rz. 246

Im Fall des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergibt sich der Vergleich aus der Protokollierung selbst, in den Fällen des § 278 Abs. 6 ZPO stellt das Gericht den Vergleich durch Beschluss fest.

Rz. 247

Der Prozessvergleich beendet zeitgleich mit dem materiellen Parteienstreit auch den Prozess.^[313] Der Rechtsstreit verliert damit seine Rechtshängigkeit.^[314] Soweit die Vergleichsregelung reicht, ist den Parteien jedes Zurückgreifen auf die zuvor eingenommenen Standpunkte rechtlich verwehrt.^[315]

Rz. 248

Mangels anderweitiger Vereinbarungen ist der titulierte Anspruch sofort fällig.^[316]

Rz. 249

Die Erfüllung der Vergleichsforderung kann grundsätzlich auch durch Aufrechnung mit einer Schuldnerforderung erfolgen, die sich der Schuldner zu diesem Zwecke erst beschafft hat.^[317] Die Aufrechnung kann jedoch im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen.^[318]

[312] BGH v. 30.9.2005 – V ZR 275/04 – BB 2005, 2490 = BGHZ 164, 190 = DAR 2006, 16 = FamRZ 2005, 2064 = MDR 2006, 284 = NJW 2005, 3576 = WM 2005, 2253 = ZIP 2005, 2176 (nur Ls.); OLG Hamm v. 18.10.2000 – 13 U 115/00 – OLGR 2002, 67 = r+s 2001, 505; Erman-Müller, BGB, 17. Aufl. 2023, § 779 BGB Rn 31 m.w.N.

[313] BGH v. 3.12.1980 – VIII ZR 274/79 – BGHZ 79, 74 = MDR 1981, 492 = NJW 1981, 823; OLG Koblenz v. 5.11.1992 – 6 U 1590/90 – JurBüro 1993, 115 = MDR 1993, 687 (Auch ungeachtet eines nachträglich vereinbarten Widerrufsvorbehaltes).

[314] BGH v. 14.7.2015 – VI ZR 326/14 – AnwBl 2015, 814 = BauR 2015, 2047 = BGHZ 206, 219 = FamRZ 2015, 1886 = JZ 2015, 1057 = MDR 2015, 1198 = NJW 2015, 2965 = openJur 2015, 12972 = Rpfleger 2016, 43 = VersR 2016, 548 = WM 2015, 2340 = ZIP 2015, 2196 (nur Ls.); BGH v. 3.12.1980 – VIII ZR 274/79 – BGHZ 79, 74 = MDR 1981, 492 = NJW 1981, 823; Zöller-Geimer, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 794 ZPO Rn 13.

[315] OLG Düsseldorf v. 26.9.2000 – 4 U 212/99 – NVersZ 2001, 478 = r+s 2001, 396 m.w.N.

[316] OLG Köln v. 26.10.1995 – 2 W 172/92 – JurBüro 1996, 213 = ZMR 1996, 86.

[317] BGH v. 9.12.1992 – VIII ZR 218/91 – BB 1993, 1113 = BGHZ 120, 387 = MDR 1993, 473 = NJW 1993, 1396 = Rpfleger 1993, 291 = VersR 1993, 504; BGH v. 29.5.1980 – IX ZR 41/77 – MDR 1980, 1017 (nur Ls.) = LM BGB § 387 Nr. 63.

[318] BGH v. 9.12.1992 – VIII ZR 218/91 – BB 1993, 1113 = BGHZ 120, 387 = MDR 1993, 473 = NJW 1993, 1396 = Rpfleger 1993, 291 = VersR 1993, 504.

I. Vergleichstext

Rz. 250

Beispiel 3.2

Kurt Hauser (K) wird am 15.4.2023 bei einem Schadenereignis (z.B. Verkehrsunfall, Arztfehler) verletzt. K verklagt den Schädiger Berthold Meier (B). Vor Gericht wird ein Vergleich geschlossen.

Rz. 251

Als den Schadenfall abschließende Erklärung kann beispielsweise folgendes Muster Verwendung finden (Die Variablen sind in Klammer < … > gesetzt):

Übersicht 3.1: Gerichtlicher Vergleich

1.

Der Beklagte zahlt aufgrund des Haftpflichtgeschehens _________________________ ([Verkehrs-]Unfall[319]) vom _________________________ auf der _________________________-Straße in _________________________ an den Kläger _________________________ (Vorname und Name des Zahlungsempfängers) über den bereits frei verrechenbar gezahlten Vorschussbetrag i.H.v. ______...