Rz. 18

 

§ 93 ZPO – Kosten bei sofortigem Anerkenntnis

  Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
 

Rz. 19

Bei einem schriftlichen Vorverfahren kann der Beklagte "sofort" i.S.v. § 93 ZPO anerkennen, wenn er das Anerkenntnis innerhalb der Klageerwiderungsfrist erklärt und er in seiner Verteidigungsanzeige weder einen klageabweisenden Antrag angekündigt hat noch dem Klageanspruch auf sonstige Weise entgegengetreten ist.[26]

 

Rz. 20

Die bloße formularmäßig verfasste Verteidigungsanzeige steht einem sofortigen Anerkenntnis nicht entgegen.

 

Rz. 21

Für die Frage, ob ein Beklagter Anlass zur Klage gegeben hat, kommt es auf sein Verhalten vor dem Prozess an.[27] Allein durch ein prozessuales Verhalten des Beklagten kann ein Klageanlass nicht "nachwachsen"; ihm kann lediglich indizielle Bedeutung zukommen, um Zweifelsfragen bzgl. einer vorprozessual angelegten Klageveranlassung zu klären.[28] Veranlassung zur Erhebung einer Klage gibt der Beklagte durch ein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt,[29] wenn also das Verhalten des Beklagten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen.[30] Eine Partei gibt keine Veranlassung zur Klage, wenn sie eine Haftung zunächst unter Vorbehalt erklärt, in der Folgezeit aber keinen Zweifel an ihrer Bereitschaft zum Schadensausgleich lässt.[31]

 

Rz. 22

Besteht Streit, ob der Versicherer vorprozessual zur Zahlung aufgefordert wurde, trägt er im Rahmen von § 93 ZPO die Beweislast dafür, dass er keine Zahlungsaufforderung erhalten hat. Dem Kläger obliegt in einem solchen Fall eine sekundäre Darlegungslast, dass die vorprozessualen Zahlungsaufforderungen abgeschickt wurden und seinen Bereich verlassen haben. Der Umfang der erforderlichen Darlegungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.[32] Dabei hat der Kläger auch darzutun, ob er in seiner Aufforderung ausreichende technische Angaben getätigt hat, damit dieses Schreiben beim Beklagten in angemessener Zeit zugeordnet werden kann.

[26] BGH v. 21.3.2019 – IX ZB 54/18 – BeckRS 2019, 6290 = MDR 2019, 701 = NJW 2019, 1525 = WM 2019, 1089 (Jedenfalls dann, wenn der Beklagte seinen angekündigten Antrag auf Klageabweisung in der Anzeige der Verteidigungsbereitschaft nicht dahingehend einschränkt, es müsse noch geprüft werden, ob der Klageanspruch berechtigt sei, verliert der Beklagte die Kostenvergünstigung des § 93 ZPO); BGH v. 30.5.2006 – VI ZB 64/05 – ags 2006, 454 (Anm. Onderka) = BGHReport 2006, 1110 (Anm. Vossler) = BGHZ 168, 57 = MDR 2007, 233 = NJW 2006, 2490 = NJW-Spezial 2006, 403 = r+s 2007, 173 = VersR 2006, 1380 = WM 2006, 1880 = zfs 2007, 261; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Wimber, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 249 BGB Rn 440 ff.
[28] BGH v. 27.6.1979 – VIII ZR 233/78 – DB 1979, 1891 = MDR 1979, 1016 = NJW 1979, 2040 = WM 1979, 884; OLG Saarbrücken v. 29.5.2018 – 4 W 9/18 – jurisPR-VerkR 19/2018 Anm. 3 (Anm. Jahnke) = NJW-RR 2018, 1043 = zfs 2019, 149; OLG Saarbrücken v. 25.9.2017 – 4 W 18/17 – VersR 2018, 696; OLG Saarbrücken v. 5.12.2016 – 4 W 19/16 – NJW-RR 2017, 697.
[29] BGH v. 8.3.2005 – VIII ZB 3/04 – NJW-RR 2005, 1005; OLG Saarbrücken v. 25.9.2017 – 4 W 18/17 – VersR 2018, 696; OLG Karlsruhe v. 1.12.2021 – 9 W 35/21 – BeckRS 2021, 41986 (Ein Haftpflichtversicherer gibt bei Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall Veranlassung zur Klage, wenn er auf mehrere vorprozessuale Zahlungsaufforderungen des Geschädigten nicht reagiert. Auf die Frage einer angemessenen Prüfungsfrist für den Versicherer kommt es bei einer fehlenden Reaktion nicht an.).
[31] OLG Karlsruhe v. 3.3.2017 – 13 W 14/17 – BeckRS 2017, 139858 (Vorinstanz LG Konstanz v. 8.2.2017 – B 2 O 432/16) (Sofortiges Anerkenntnis bei zunächst unter Vorbehalt erklärter Schadenregulierung. Ein Kind war auf einem Bauernhof durch ein nicht ordnungsgemäß befestigtes Gatter erheblich verletzt worden. Auf die erste Aufforderung, die Haftung anzuerkennen, hatte der Haftpflichtversicherer des Bauern seine Regulierungsbereitschaft vorbehaltlich der Prüfung etwaiger Einwände erklärt und in der Folgezeit ohne Einwände zu erheben, Vorschüsse an das Kind geleistet. Ohne nach einem Verjährungsverzicht oder einem ausdrücklichen titelersetzenden Anerkenntnis zu fragen, erhob die Geschädigte 3 Jahre nach de...

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