Rz. 113
Für die Einräumung von Nutzungsrechten ist schließlich die Zweckübertragungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG zu beachten. Auch nach der Neufassung des § 31 UrhG, insbesondere des Abs. 5, bleibt die Frage, ob die Zweckübertragungsregel lediglich als Auslegungsmaxime oder aber als Spezifizierungslast des Werkvermittlers anzusehen ist. Dieser Streit hat durchaus für die Behandlung im Rahmen der Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und bzgl. der Darlegungslast im Prozess seine Bedeutung. Für eine gesetzliche Spezifizierungslast spricht schon der neue Gesamtkontext, der in § 11 S. 2 UrhG seinen besondere Ausdruck findet ("Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes."). Nach deren Kernaussage ist davon auszugehen, dass der Urheber Rechte nur in dem Umfang überträgt, der für die Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist, um dem Urheber damit möglichst weitgehend eine wirtschaftliche Verwertung seines Werkes zu ermöglichen. Der Lizenznehmer wird dazu gezwungen, die von ihm zu beanspruchenden Nutzungsarten genau und einzeln zu bezeichnen, was in der Praxis durch umfassende Kataloge von Einzelzuweisungen erfüllt wird. So hat der Buchverleger im Zweifel nicht das Recht zur Verfilmung des Werkes oder der Musikverleger nicht das Recht zur Vervielfältigung des Werkes auf Tonträger (§ 37 Abs. 2 UrhG). Bei der Online-Nutzung reichen solche pauschalen Formulierungen wie "elektronische Verwertung" oder "digitale Verwertung" nicht aus. Verlangt wird eine konkrete Bezeichnung wie etwa "Music-on-Demand", "Video-on-Demand", "Print-on-Demand", "E-Book", "Online-Recherche" oder "Online-Publishing".
Rz. 114
Dieser durch § 31 Abs. 5 UrhG manifestierte urheberrechtliche Schutzgedanke findet auf die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen keine Anwendung, insbesondere kommt der Übertragungszweckgedanke (früher: Übertragungszwecklehre) als Maßstab einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht in Betracht.
Rz. 115
Bei der Auslegung von Verträgen von anderen Leistungsschutzberechtigten (gem. § 133, 157 BGB), wie etwa Konzertveranstalter, Hersteller von Tonträgern, Filmen etc. sollen Letztere als die (vermeintlich) stärken Verhandlungspartner nicht den besonderen Schutz des § 31 Abs. 5 UrhG genießen. Vielmehr ist eine interessengerechte Auslegung der Verträge vorzunehmen (nach beiden Seiten hin interessengerechte Vertragsauslegung).
Rz. 116
Im Rahmen der sog. Open-Content-Modelle wird den Usern eine Online-Nutzung von urheberrechtlichen Werken unentgeltlich gestattet. Das ist aber nicht mit einem Verzicht auf das Urheberrecht verbunden, der ohnehin nicht wirksam wäre (siehe oben § 1 Rdn 40 sowie § 3 Rdn 252). Vielmehr haben sich Geschäftsmodelle entwickelt, die Content (also urheberrechtlichen Inhalt, wie etwa Computerprogramme) unter gewissen vorgegebenen Bedingungen überlassen (z.B. General Public License-GNU). Dann gestattet der Urheber (Programmierer) in der Regel auch die kommerzielle Nutzung und Bearbeitung, allerdings bei GNU unter der Bedingung, dass die Software unter denselben Bedingungen weiterlizenziert wird (Open Source, Copy Left). Bei Verstoß gegen diese Bedingungen liegt eine Urheberrechtsverletzung vor.