Rz. 227
Nach § 69c Nr. 3 UrhG ist jede Form der Verbreitung (entsprechend § 17 UrhG Anbieten gegenüber der Öffentlichkeit oder das Inverkehrbringen) zustimmungsbedürftig, wozu insbesondere das Vermieten und das Verleihen gehört. Letzteres ist im Gegensatz zum Vermietrecht nicht von der Erschöpfung ausgenommen. Erschöpfung tritt ein, wenn ein Vervielfältigungsstück zulässigerweise innerhalb eines EU- oder EWR-Staates im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden ist und führt dazu, dass Verbietungsrechte nicht mehr geltend gemacht werden können. Veräußerung ist dabei die endgültige Verschaffung der Verfügungsmöglichkeit. Die dinglich wirksame Beschränkung der Erschöpfung war zunächst (auch) für Computerprogramme kontrovers diskutiert worden. Inzwischen hat sich der BGH dagegen ausgesprochen. Dieser Entscheidung ("OEM-Version") lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Zitat
Microsoft wollte den Händlern der günstigen OEM-Version unter Hinweis auf das vermeintlich auch dinglich beschränkte Vertriebsrecht verbieten, Software ohne die dazugehörende Hardware zu veräußern. Ein Händler in Deutschland hielt sich nicht an die Vereinbarung und wurde von Microsoft aufgrund Verstoßes gegen das Verbreitungsrecht auf Unterlassung in Anspruch genommen. Dagegen wandte sich der Händler mit dem Vortrag, dass Erschöpfung eingetreten sei. Der BGH bejahte Erschöpfung und wies die Klage ab. Die Kopierstücke des besagten Computerprogramms seien legitim in den Vertrieb gelangt. Das Gericht ließ zunächst die Frage offen, ob es sich bei dem Vertrieb der OEM-Version um eine eigenständige Nutzungsart (gem. § 312 UrhG) handelt, lehnte aber eine dinglich wirksame Beschränkung der Erschöpfung des Vertriebsrechts (bei Computerprogrammen) ab. Die Veräußerung der OEM-Version ohne Hardware stellt zwar eine Vertragsverletzung dar, gewährt gleichwohl keinen Unterlassungsanspruch gegen nicht vertragsgebundene Unterhändler, wie im vorliegenden Fall. Nur bei Verletzung eines (urheberrechtlichen) ausschließlichen Rechts hätte Microsoft auch Ansprüche gegen nicht vertragsgebundene Händler (und Nutzer) geltend machen können, was vorliegend abgelehnt wurde.
Die rechtliche Einordnung der "elektronischen" Erschöpfung war lange umstritten (siehe dazu § 2 Rdn 199 f.). Gerade die Veräußerung "gebrauchter" Softwarelizenzen lässt die Probleme deutlich werden.
Rz. 228
Unter dem Schlagwort Handel mit gebrauchter Software wurde lange Zeit heftig diskutiert, ob und in welchem Umfang die Erschöpfung im Zusammenhang mit der Veräußerung von Software eintritt (siehe § 2 Rdn 200 ff.). Nach dem Vorbild des § 17 Abs. 2 UrhG ist in § 69c Nr. 3 UrhG die Erschöpfung des Verbreitungsrechts geregelt. Danach bezieht sich diese Schrankenregelung auf körperliche Vervielfältigungsstücke, nicht aber auf die Onlineübermittlung. In der Sache geht es um den Verkauf von Softwarelizenzen, ohne dass der eigentliche Datenträger mit veräußert wird. Erhält der Nutzer nur einen Datenträger (Master-CD) oder die Software nur per Download und wird zugleich eine große Anzahl von Lizenzen eingeräumt, so stellt sich die Frage, was geschieht, wenn der Nutzer die nicht benötigten Lizenzen weiter überträgt ("Verkauf von Lizenzen"). Einige Anbieter (als Softwarehändler) haben hieraus ein Geschäftsmodell entwickelt, durch dass sich die Softwarehäuser im Vertrieb ihrer "Softwareprodukte" eingeschränkt sehen.
Rz. 229
Hoeren vertritt die Auffassung, dass die Erschöpfung unkörperlicher Gegenstände eine Frage des Einzelfalls sei. Man müsse darauf abstellen, ob die unkörperliche Verwertung lediglich ein funktionales Äquivalent zur körperlichen Verbreitung darstelle. In solch einem Falle sei die Erschöpfung zu bejahen. Gegen diese Auffassung spricht aber der Wortlaut der §§ 17 Abs. 2 und 69c Nr. 3 S. 2 UrhG. Für eine analoge Anwendung besteht kein Spielraum. Es kann weder eine gesetzeswidrige Lücke angenommen werden, noch besteht eine vergleichbare Interessenlage. Vielmehr veräußern die Händler nicht wie im Offlinebereich Vervielfältigungsstücke, sondern die Erlaubnis zur Vervielfältigung.
Rz. 230
Gleichwohl hat der EuGH entschieden, dass auch bei einer Onlineübertragung auf den Ersterwerber Erschöpfung eintritt und somit der Handel mit gebrauchter Software zulässig ist. Die Erschöpfungswirkung hängt aber von einzelnen vertraglichen Bedingungen ab, wie z.B. die Pflicht des Ersterwerbers zur Unbrauchbarmachung "seiner" Kopie bei Weiterveräußerung (im Einzelnen siehe dazu oben § 2 Rdn 202).
Rz. 231
Von der Frage der Erschöpfung strikt zu trennen ist die Möglichkeit der gegenständlichen Aufspaltung der Nutzungsrechte (mit dinglicher Wirkung) an Computerprogrammen. Im Hinblick auf § 31 Abs. 1 UrhG kommen inhaltliche, zahlenmäßige und räumliche Beschränkungen in Betracht. Beispiele für inhaltliche Beschränkungen sind etwa die Einräumung der Rechte als Einzelplatz gegenüber der Mehrplatzversion oder die Integration von Software in Hardware (ROM) in Abgrenzung zur Speicherun...