1. Zuordnung zu den Verwertungsrechten und Persönlichkeitsrechten
Rz. 86
Spricht man von Nutzungsrechten, so denkt man vorrangig an die vermögensrechtliche Seite des Urheberrechts, namentlich an die dem Urheber zugewiesenen Verwertungsrechte des § 15 UrhG. Diese sind sicher der Hauptanwendungsbereich. Allerdings kann es Situationen geben, in denen auch die Ausübung von Persönlichkeitsrechten zur "Nutzung" überlassen werden soll. In der Praxis wird dies immer dann von Bedeutung sein, wenn im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Nutzungsrechten auch urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse übertragen werden müssen. Während etwa das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht der vermögensrechtlichen Seite des Urheberrechts zugeschlagen wird, ist das Recht zur Veröffentlichung als Ausdruck des Urheberpersönlichkeitsrechts in der Praxis kaum hiervon zu trennen und wird ebenfalls zur gebundenen Ausübung übertragen. Ähnlich verhält es sich mit dem Aufführungsrecht des Lizenznehmers, das sinnvoll nur mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht der Werkänderung ausgeübt werden kann. Weiter stellt sich die Frage, ob der Urheber die Ansprüche aus der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts Dritten, z.B. Bühnenverlagen, oder Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung überlassen kann. Nach heute h.M. wird eine Überlassung zur Ausübung für zulässig gehalten. In der gerichtlichen Praxis wird von einer gewillkürten Prozessstandschaft auszugehen sein.
Rz. 87
Es war bereits darauf hingewiesen worden, dass die Nutzungsrechte nicht mit den Verwertungsrechten des Urhebers verwechselt werden dürfen (siehe § 2 Rdn 183). Sie sind auch nicht mit den verschiedenen Ausprägungen der Verwertungsrechte deckungsgleich, sondern tragen ein eigenes Schicksal. Eine Zuordnung kann nur insofern erfolgen, als die Nutzungsrechte eher verwertungsrechtsbezogen sind.
2. Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte
Rz. 88
Unterschieden werden einfache und ausschließliche Nutzungsrechte (Lizenzen), § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG. Da das einfache Nutzungsrecht dem Lizenznehmer lediglich das positive Recht zuweist, das Werk auf die vereinbarte Art zu nutzen, dagegen Dritten oder dem Urheber gegenüber eine gleichartige Nutzung nicht untersagt werden kann (§ 31 Abs. 2 UrhG), verlangen die Lizenznehmer üblicherweise eine ausschließliche Lizenz. Das ausschließliche Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen, einschließlich des Urhebers, auf die ihm erlaubte Art zu nutzen und einfache Nutzungsrechte einzuräumen (§ 31 Abs. 3 UrhG).
3. Unbekannte Nutzungsarten
Rz. 89
Bis zum 31.12.2007 galt Folgendes: Neue, bisher unbekannte Nutzungsrechte fielen automatisch dem Urheberrecht, namentlich dem Verwertungsrecht des Urhebers, zu und konnten nicht Gegenstand der Einräumung von Nutzungsrechten sein. § 31 Abs. 4 UrhG erklärte vielmehr die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten sowie Verpflichtungen hierzu für unwirksam. Diese Vorschrift galt auch für die treuhänderische Einräumung von Nutzungsrechten an Verwertungsgesellschaften.
Rz. 90
Mit den Neuregelungen des Zweiten Korbes, also ab dem 1.1.2008, wurde § 31 Abs. 4 UrhG gestrichen. Zugleich wurde mit § 31a UrhG eine Regelung neu aufgenommen, die die Verträge über unbekannte Nutzungsarten zum Gegenstand hat. Darüber hinaus behandelt die ebenfalls neue Bestimmung des § 32c UrhG die Vergütung für später bekannte Nutzungsarten (siehe Rdn 183). Schließlich ist auf § 137l UrhG hinzuweisen, der Übergangsreglungen für neue Nutzungsarten festschreibt.
Rz. 91
Grund für die Neuregelung war die für Werkvermittler (Verwerter) und Nutzer unbefriedigende Situation, dass zahlreiche "Archivschätze" nicht genutzt werden konnten. Hatte etwa ein Buchautor, ein Komponist oder ein Fotokünstler in den 1970er Jahren einem Verlag alle zur damaligen Zeit bekannten Nutzungsarten eingeräumt, so waren damit die verschiedenen Nutzungsarten des Internets nicht mit übertragen worden. Möchte der jeweilige Verlag nun heute diese Werke etwa durch Einstellen ins Internet (öffentlich Zugänglichmachen, § 19a UrhG) nutzen, ...