1. Rechtsnatur, Auslegung und Änderung
Rz. 125
Verträge über Urheberrechte können aufgeteilt werden in:
▪ |
Nutzungsverträge, die eine unmittelbare Werkverwertung zum Gegenstand haben, und |
▪ |
kollektive Wahrnehmungsverträge, aufgrund derer der Urheber den Verwertungsgesellschaften treuhänderisch Nutzungsrechte einräumt (siehe Rdn 210). |
Rz. 126
Zu trennen ist das vertragliche Schuldverhältnis von den zuvor besprochenen Verfügungsgeschäften, mit denen der Urheber tatsächlich Nutzungsrechte gewährt. Das auch im Urheberrecht geltende Abstraktionsprinzip wird allein im Verlagsrecht durch § 9 Abs. 1 VerlG durchbrochen, welches die Entstehung des Verlagsrechts von der Ablieferung des Werkes an den Verleger abhängig macht. Diese Regelung kann auch nicht im Wege der Analogie auf alle anderen urheberrechtlichen Verfügungsgeschäfte angewandt werden. Vielmehr gelten die allgemeinen Regelungen des BGB, etwa zum Recht der Rückabwicklung, wonach der Urheber sich die eingeräumten Nutzungsrechte nach den Regeln der §§ 812, 346 S. 1, 327 S. 1 BGB zurückholen muss.
Rz. 127
Während der kollektivrechtliche Wahrnehmungsvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB eingestuft wird, weisen die sonstigen Nutzungsverträge Elemente des Kauf-, Werk-, Dienst- und Pachtvertrags auf, was auch für den Verlagsvertrag gilt und mit nachfolgend zu behandelnden typischen vertraglichen Pflichten einhergeht.
Rz. 128
Für Verträge über die Einräumung von Nutzungsrechten gilt die Zweckübertragungsregel (§ 31 Abs. 5 UrhG), wonach die einzelnen Nutzungsrechte tendenziell beim Urheber verbleiben. Diese Auslegungsregel erhält im Hinblick auf die Veröffentlichung oder Verwertung einer Bearbeitung (§ 37 Abs. 1 UrhG) die Rechte der Nutzung des Werks auf Bild- oder Tonträger (Abs. 2) sowie bezogen auf die Übertragung einer öffentlichen Wiedergabe außerhalb einer Veranstaltung (Abs. 3) eine besondere Ausprägung.
Auf diese Norm können sich nicht nur die Urheber, sondern auch Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70 Abs. 1 UrhG), Lichtbildner (§ 72 Abs. 1 UrhG) sowie ausübende Künstler (§ 79 Abs. 2a UrhG) berufen.
Rz. 129
Fraglich ist, ob § 37 UrhG auch für die sog. Enkelrechte gilt, wenn also der (Haupt-)Lizenznehmer wieder Unterlizenzen erteilt. Zunächst spricht der Wortlaut gegen eine solche Anwendung. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich der Hauptlizenznehmer nicht in einer strukturell schwächeren Position im Verhältnis zum Unterlizenznehmer befindet. Daher sind die allgemeinen Auslegungsgrundsätze anzuwenden.
Rz. 130
Auch § 38 UrhG enthält eine Auslegungsregel, die auf die Gestattung der Aufnahme eines Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung bezogen ist. Der Verleger oder Herausgeber erwirbt dann im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung. Allerdings darf der Urheber nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen sein Werk anderweitig vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen, was vertraglich abbedungen werden kann (§ 38 Abs. 1 UrhG).
Rz. 131
Bei einer nicht periodisch erscheinenden Sammlung gilt das zuvor Ausgeführte, wenn für das Überlassen dem Urheber kein Anspruch auf Vergütung zusteht (§ 38 Abs. 2 UrhG).
Rz. 132
Im Hinblick auf einen Zeitungsbeitrag erwirbt der Verleger oder Herausgeber in der Regel ein einfaches Nutzungsrecht, was allerdings anders vereinbart werden kann. Im Fall der Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts ist der Urheber sogleich nach Erscheinen des Beitrags berechtigt, diesen Beitrag anderweitig zu vervielfältigen und zu verbreiten, was ebenfalls abbedungen werden kann (§ 38 Abs. 3 UrhG).
Rz. 133
Der erst im Jahre 2014 in Kraft getretene § 38 Abs. 4 UrhG schützt in besonderem Maße die Autoren wissenschaftlicher Beiträge. Diese müssen im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlich geförderten Mitteln geförderter Forschungstätigkeit entstanden sein. Weiterhin ist Voraussetzung, dass der Beitrag in einer mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen und eine Wartefrist von zwölf Monaten seit der Erstveröffentlichung – und zwar durch Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts – abgelaufen ist. Dabei ist die Quelle der Erstveröffentlichung anzugeben.
Rz. 134
Rechtsfolge ist ein Zweitverwertungsrecht gegenüber dem Verleger oder Herausgeber an einem wissenschaftlichen Beitrag des Autors in der akzeptierten Manuskriptversion, das allerdings auf die öffentliche Zugänglichmachung beschränkt ist. Eine zum Nachteil des Autors abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
Hinweis
Zahlreiche Wissenschaftler wollen ihre einem Verlag eingeräumten Erstverwertungsrechte an einem wissenschaftlichen Beitrag nochmals auf ihrer Homepage oder durch Rundmail an die Fachöffentlichkeit als Zweitverwertungsrecht zugänglich machen, was unter den zuvor beschriebenen Umständen zulässig ist. Es darf damit aber kein gewerblicher Zweck verfolgt werden.
Rz. 135
§ 39 Abs. 1 UrhG regelt das Änderungsverbot, und zwar bezogen auf das Werk selbst...