1. Wahrnehmungsvertrag
Rz. 210
Im Gegensatz zu den (normalen) Urheberverträgen, die die Einräumung von Nutzungsrechten zum Gegenstand haben, verfolgen die so genannten Wahrnehmungsverträge den Zweck, dass der Vertragspartner die Nutzung durch Dritte vermittelt und kontrolliert. Solche Verträge werden etwa mit Theaterverlagen oder Bühnenverlagen über das so genannte Große Recht, also das Bühnenaufführungsrecht, abgeschlossen. Die Einräumung des ausschließlichen Aufführungsrechts von Seiten des Urhebers an einen Verlag oder Bühnenvertrieb erfolgt durch den so genannten Bühnenvertriebsvertrag, der als Geschäftsbesorgungsvertrag bzw. Geschäftsbesorgungskommission einzustufen ist.
2. Verwertungsgesellschaften
Rz. 211
Ein weiterer Typus ist der Wahrnehmungsvertrag mit den Verwertungsgesellschaften. Bei diesem geht es nicht um die individuelle Rechtswahrnehmung, sondern vielmehr um die kollektive Wahrnehmung von Nutzungsrechten. Hintergrund ist, dass es bei vielen Verwertungsarten dem Urheber kaum möglich ist, mit allen infrage kommenden Nutzern Verträge abzuschließen. Im Wahrnehmungsvertrag lassen sich die Verwertungsgesellschaften die Rechte und Ansprüche der Inhaber von Urheber- und Leistungsschutzrechten übertragen. Gesetzlich ist dieser Vertragstypus nicht geregelt. Er wird daher als urheberrechtlicher Nutzungsvertrag eigener Art bezeichnet, der Elemente des Auftrags, insbesondere bezüglich der treuhänderischen Rechtsübertragung, sowie des Geschäfts-, Dienst- und des Geschäftsbesorgungsvertrags enthält.
Rz. 212
Hier räumen die Inhaber von Urheber- und Leistungsschutzrechten der Verwertungsgesellschaft die ausschließlichen Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte und Vergütungsansprüche ein und erteilen den Auftrag zu ihrer treuhänderischen Wahrnehmung. Die Verwertungsgesellschaften ihrerseits räumen den Rezipienten, Veranstaltern und Sonstigen einfache Nutzungsrechte ein und sorgen auch für die Ahndung unbefugter Nutzung. Dreier spricht in diesem Zusammenhang von einem "Vertragssystem", das unter dem Eindruck der Digitalisierung und der damit eröffneten gewandelten Bedingungen von Schöpfung, Verbreitung und Zugriff nachhaltigen Veränderungen unterliegt. Besonders deutlich wird dies beim Erwerb aller für CD-ROM, Datenbanken und anderer Online- und Offline-Medien erforderlichen Rechte, die nach geltendem Recht so aufwendig sind, dass sich die Herstellung angesichts des Risikos, nicht alle erforderlichen Rechte erwerben zu können und der sich aufsummierenden Einzelvergütungen, häufig nicht rechnen kann.