Rz. 14

Verstirbt der Erblasser zu einem Zeitpunkt, in dem er noch beruflich tätig war, stellt sich den Erben auch die Frage, wie sie mit (elektronischen) Aufzeichnungen umzugehen haben, die sie auf seinen Geräten und Speichermedien finden und die seine berufliche Tätigkeit betreffen. Arbeitgeber stehen ihrerseits häufig vor dem Problem, dass sich auf ihren Computersystemen auch private Aufzeichnungen ihrer Arbeitnehmer finden. Müssen sie diese an die Erben herausgeben?

I. Andienungspflichten von "Grabungsmaterialien"

 

Rz. 15

Ein "analoger" Fall, den der BGH im Jahr 1990 entschieden hat, verdeutlicht, welche Prinzipien in solchen Fallgestaltungen greifen:[13] Der Erblasser

Zitat

"war seit 1958 Ordinarius für Vor- und Frühgeschichte an der philosophischen Fakultät der beklagten Universität; dort leitete er als Direktor das Institut für Ur- und Frühgeschichte." Seine Erben und die Universität stritten "um die Rechte am umfangreichen wissenschaftlichen Nachlaß des Verstorbenen. [E]in erheblicher Teil der mit den […] archäologischen Projekten zusammenhängenden Arbeitsmaterialien und Unterlagen [befinden sich] im Institut für Ur- und Frühgeschichte der Beklagten. Dazu gehören u.a. Beschreibungen von Ausgrabungen, Aufstellungen, Manuskripte verschiedener Art, Briefwechsel, Tagebücher, Zeichnungen, Grabungspläne, Dias und Fotos."

 

Rz. 16

Fasst man die wesentlichen Ergebnisse des Urteils zusammen, so kam der BGH zu dem Schluss, der Erblasser sei gem. § 950 BGB als Hersteller zwar Eigentümer der genannten Materialien geworden und somit hätten auch seine Erben Eigentum an den Materialien erworben. Allerdings habe die Universität ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB gegenüber dem Erblasser und dieses bestehe auch gegenüber den Erben fort. Der Erblasser und auch die Erben seien nämlich aufgrund der aus dem Dienstverhältnis folgenden Treuepflicht des Erblassers gegenüber der Universität dazu verpflichtet, der Universität die Grabungsmaterialien anzudienen. Diese Andienungspflicht verpflichte die Erben zwar nicht zur Andienung der Übertragung des Eigentums an den Grabungsmaterialien, aber jedenfalls zur Andienung des dauerhaften Besitzes. Da sich die Universität bereits im Besitz der Grabungsmaterialien befand, habe sich die Andienungspflicht zu einem Recht auf Besitz gem. § 986 Abs. 1 BGB gewandelt.

[13] BGH, Urt. v. 27.9.1990 – I ZR 244/88 (Grabungsmaterialien), NJW 1991, 1480.

II. Herausgabepflicht nach § 667 BGB – auch als Arbeitnehmer

 

Rz. 17

Ganz ähnliche Erwägungen hat, wie wir bereits gesehen haben (siehe § 1 Rdn 33 ff., 36 ff.), der BGH auch für den Anspruch Helmut Kohls auf Herausgabe der Tonbandaufzeichnungen des von ihm beauftragten "Ghostwriters" angestellt. Eine Pflicht zur Herausgabe der Tonbandaufnahmen folgte dort aus § 667 BGB. Da nur auf Herausgabe geklagt war, musste der BGH nicht entscheiden, ob der "Ghostwriter" auch zur Übertragung des Eigentums an den Tonbändern verpflichtet war.

 

Rz. 18

In Arbeitsverträgen sind Herausgabepflichten in der Regel ausdrücklich festgehalten. Im Übrigen wird § 667 BGB bei Arbeitsverträgen regelmäßig entsprechende Anwendung finden.[14] Das BAG hat dazu ausgeführt:[15]

Zitat

"Zur Ausführung der übertragenen Arbeit erhalten hat der Arbeitnehmer alles, was ihm zum Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist. […] Hierzu gehören Unterlagen, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten zur Verfügung gestellt worden sind (§ 667 Alt. 1 BGB), und die, die er während des Arbeitsverhältnisses, beispielsweise durch einen Schriftverkehr mit Dritten, erlangt hat (§ 667 Alt. 2 BGB). Aus der Geschäftstätigkeit i.S.d. § 667 BGB erlangt sind auch die vom Beklagten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Klägerin selbst angelegten Akten, sonstige Unterlagen und Dateien – mit Ausnahme von privaten Aufzeichnungen."

 

Rz. 19

Die Herausgabepflicht umfasst mithin alle Arten von Aufzeichnungen unabhängig vom Speichermedium, also insbesondere auch Dateien und andere elektronische Aufzeichnungen. Diese Herausgabepflicht geht mit dem Erbfall nach §§ 1922, 1967 BGB auf die Erben über.

III. Herausgabepflicht des Arbeitgebers oder Auftraggebers für private Daten

 

Rz. 20

Der Arbeitgeber ist seinerseits in der Regel zur Herausgabe privater Aufzeichnungen verpflichtet. So hat das OLG Dresden entschieden,[16]

Zitat

"dass, wenn im Rahmen eines Vertragsverhältnisses von einem Vertragspartner für den anderen ein E-Mail-Account angelegt [wird], auf dem dieser auch private Mails speichert, […] es den vertraglichen Nebenpflichten [entspricht], von einer Löschung des Accounts nach Beendigung des Vertragsverhältnisses solange abzusehen, bis klar ist, dass die andere Partei an der Nutzung des Accounts kein Interesse mehr hat."

 

Rz. 21

Mit diesen Ausführungen ist zwar noch kein Herausgabeanspruch begründet, sondern nur eine Pflicht, den E-Mail-Account und die dort gespeicherten Inhalte nicht zu löschen. Ein Anspruch auf Herausgabe...

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