Rz. 91
Der Anspruch auf Entziehung setzt "wiederholte gröbliche Verstöße trotz Abmahnung" voraus. Inhaltlich soll die Abmahnung dem Wohnungseigentümer "ein bestimmtes beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten aufzugeben oder zu ändern" und ihn vor dem drohenden Entziehungsbeschluss warnen. Wenn ein gerichtliches Entziehungsverfahren aber bereits läuft, sind weitere Abmahnungen überflüssig; die Klage kann dann ohne weiteres auf die neuen Gründe gestützt werden. Das Gesetz regelt nicht, wer die Abmahnung aussprechen darf oder muss. Die Gemeinschaft ist dafür auf jeden Fall zuständig; sie kann die Abmahnung per Mehrheitsbeschluss aussprechen. Die Beschlussfassung ist – wie immer – anzukündigen. Der Beschluss selbst entspricht im Prinzip dem oben (→ § 3 Rdn 68) dargestellten Aufforderungsbeschluss, mit dem einzigen Unterschied, dass im vorliegenden Kontext als Konsequenz nicht die Einleitung gerichtlicher Schritte (auf Unterlassung usw.) beschlossen, sondern die Entziehung des Wohnungseigentums angekündigt wird; beides lässt sich auch kombinieren. Den Abmahnbeschluss kann der Abgemahnte zwar (wie jeden Beschluss) per Anfechtungsklage überprüfen lassen; überprüft wird aber nur, ob formelle Mängel der Beschlussfassung vorliegen, nicht die sachliche Berechtigung der Abmahnung.
Rz. 92
Muster 3.7: Abmahnbeschluss
Muster 3.7: Abmahnbeschluss
Die Gemeinschaft beschließt, Herrn A wegen folgender Vorfälle abzumahnen: [genaue Bezeichnung der Vorfälle, z.B. Beleidigungen der Miteigentümer, Ruhestörungen, unzulässige Nutzung der Wohnung oder der Gemeinschaftsflächen, fortlaufend unpünktliche Zahlungen usw.]. Herr A wird aufgefordert, die bezeichneten oder gleichartige Störungen zu unterlassen. Bei weiteren Verstößen behält sich die Gemeinschaft die zwangsweise Entziehung des Wohnungseigentums vor.
Rz. 93
Auch der Verwalter kann die Abmahnung aussprechen; dagegen gibt es keinen Rechtsschutz. Sogar die Abmahnung durch einzelne Miteigentümer soll als Voraussetzung des Entziehungsverfahrens genügen; dem ist mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Abmahnung nicht zu folgen.
Rz. 94
Obwohl das Gesetz (anders als vor der WEG-Reform 2020) nicht mehr ausdrücklich einen der Abmahnung nachfolgenden Beschluss der Gemeinschaft verlangt, ist mit der h.M. doch anzunehmen, dass ein solcher Beschluss eine (ungeschriebene) Voraussetzung der Entziehung des Wohnungseigentums darstellt. Ein vernünftiger Verwalter wird sowieso nicht auf den Gedanken verfallen, ohne Beschluss eine Entziehungsklage einzureichen. Den Entziehungsbeschluss darf die Gemeinschaft fassen, wenn der betreffende Wohnungseigentümer erneut die abgemahnten Pflichten versäumt, und sei es auch nur einmal.
Rz. 95
Muster 3.8: Entziehungsbeschluss
Muster 3.8: Entziehungsbeschluss
Die Gemeinschaft beschließt, Herrn A sein Wohnungseigentum Nr. 3 zu entziehen und verlangt hiermit von ihm die Veräußerung. Dieser Beschluss ist sofort im Wege gerichtlicher Klage durchzusetzen. Die Verwaltung soll hierfür im Namen der Gemeinschaft ein Rechtsanwaltsbüro beauftragen. (Sonderumlage wie → § 3 Rdn 68, Nr. 4).
Rz. 96
Wie der Abmahnbeschluss wird auch der Entziehungsbeschluss im Beschlussanfechtungsverfahren nur auf formelle Mängel überprüft, wozu die Frage gehört, ob ihm eine ausreichende Abmahnung vorangegangen ist. Erst im Verfahren der Entziehungsklage wird darüber entschieden, ob ein die Entziehung rechtfertigender Grund vorliegt. Der Eigentümerbeschluss soll das Entziehungsverfahren in Gang bringen und stellt lediglich eine besondere Prozessvoraussetzung für die Klage dar.