I. Grundlagen
Rz. 30
Die Miteigentümer können einen der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums (inklusive Sondernutzungsflächen) und des Sondereigentums entsprechenden Gebrauch mit Stimmenmehrheit beschließen (§ 19 Abs. 1 WEG). Was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht, haben die Wohnungseigentümer ein aus ihrer Verwaltungsautonomie folgendes Ermessen (Beurteilungsspielraum), das einer gerichtlichen Nachprüfung weitgehend entzogen ist (→ § 6 Rdn 4). Demnach kann ein einzelner Miteigentümer im Normalfall nicht den Beschluss bestimmter Regelungen (Gebote/Verbote) verlangen, zumal eine vollständige Aufzählung in der Hausordnung gar nicht möglich wäre.
Rz. 31
Beschlüsse über Gebrauchsregelungen sind rechtmäßig, wenn sie den Gebrauch in ordnungsmäßiger Weise regeln. Nähme man das Gesetz beim Wort, bestünde für Gebrauchsregelungen, die nicht "ordnungsmäßig" sind, keine Beschlusskompetenz. Dieses Ergebnis widerspräche aber der gesetzlichen Konzeption, wonach "ordnungswidrige" Beschlüsse bestandskräftig werden können; das Merkmal der Ordnungsmäßigkeit ist deshalb nicht kompetenzbegründend. Ordnungswidrige Gebrauchsregelungen sind also nicht nichtig, sondern "nur" rechtswidrig. Nichtig sind sie nur bei Vorliegen eines der allgemeinen Nichtigkeitsgründe, also bspw. dann, wenn sie in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreifen. Auch kann eine durch Mehrheitsbeschluss eingeführte Gebrauchsregelung nicht Flächen oder Gegenstände des Gemeinschaftseigentums einzelnen Miteigentümern dauerhaft und unter Ausschluss der anderen Miteigentümer zur Nutzung zuweisen; ein solches Sondernutzungsrecht kann nur durch Vereinbarung begründet werden (→ § 2 Rdn 111).
Rz. 32
Beispiele: nichtige Gebrauchsregelungen
Die im gemeinschaftlichen Garten befindlichen drei Außenwasserhähne werden bestimmten Eigentümern zur alleinigen Nutzung zugewiesen. – Im gemeinschaftlichen Dachboden oder Keller werden bestimmte Bereiche einzelnen Eigentümern zugewiesen. – Die Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnung wird untersagt.
Rz. 33
Gebrauchsregelnde Beschlüsse dürfen nicht gegen eine Vereinbarung verstoßen, außer wenn es sich um eine Vereinbarung in Beschlussangelegenheiten handelt, die durch Beschluss geändert werden kann (→ § 1 Rdn 7). Unwirksam ist insbesondere eine Änderung der Zweckbestimmung von Gemeinschafts- oder Sondereigentumsflächen; hierfür besteht keine Beschlusskompetenz. Allerdings berührt jede den Gebrauch bestimmter Flächen betreffende Regelung den diesen Flächen allgemein zugewiesenen Bestimmungszweck. Somit stellt sich die Frage, wo die Grenzlinie zwischen einer (dem Beschluss zugänglichen) Regelung, die den Bestimmungszweck lediglich konkretisiert bzw. ausgestaltet, und einer den Bestimmungszweck ändernden Regelung (die nur per Vereinbarung möglich ist) verläuft. Hier kommt es auf den Einzelfall an; eine klare Linie ist in der Rechtsprechung kaum auszumachen. Eine neue Fragestellung ergibt sich aus dem Umstand, dass nach dem geltenden (neuen) Recht gem. § 20 Abs. 1 WEG bauliche Veränderungen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können, denn damit ist häufig eine Änderung der bisherigen (zweckbestimmungsgemäßen) Nutzung der betroffenen Fläche, womöglich sogar ein faktisches Sondernutzungsrecht zugunsten einzelner Miteigentümer verbunden. Führt die damit faktisch einhergehende Änderung der Gemeinschaftsordnung zur Nichtigkeit der Beschlüsse? Nein, denn sonst wäre ein zentrales Anliegen der WEG-Reform 2020 in Frage gestellt. Derartige Nutzungsänderungen sind die Folge gesetzlich zulässiger baulicher Maßnahmen; entsprechende Beschlüsse sind deshalb wirksam. Ob die Beschlüsse ohne weiteres rechtmäßig sind (ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen), ist eine andere Frage, die im Zuge einer umfassenden Interessenabwägung zu beantworten ist. Allein der Umstand, dass einzelnen Eigentümern ein "Sondervorteil" verschafft wird, rechtfertigt aber m.E. nicht die Begründung von Ansprüchen auf Ausgleichszahl der übrigen Eigentümer. Wenn die Mehrheit willens ist, einem Miteigentümer einen Sondervorteil zukommen zu lassen, kann sie dies von einer Ausgleichszahlung abhängig machen, muss es aber nicht; das müssen überstimmte Eigentümer hinnehmen.
Rz. 34
Beispiele: Faktische Änderung des Bestimmungszwecks durch bauliche Veränderungen
a) Dem Miteigentümer A wird der Ausbau eines Nebenraums seiner Wohnung (Bühne, Hobbyraum, Keller) zu Wohnraum gestattet.
b) Den Miteigentümern A – D wird auf Gemeinschaftsfläche die Errichtung einer Schnellladestation für deren Elektrofahrzeuge gestattet.