1. Allgemeines
Rz. 35
Gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 WEG gehört die "Aufstellung einer Hausordnung" zur ordnungsmäßigen Verwaltung. Eine gesetzliche Definition des Begriffs oder (Mindest-)Inhalts der "Hausordnung" fehlt indes; Hausordnungen gab es schon immer, und bei der Schaffung des WEG im Jahr 1951 wurde der Begriff der Hausordnung als bekannt vorausgesetzt. Dogmatisch betrachtet fällt die Hausordnung als solche in keine rechtlich relevante Kategorie. Sie ist lediglich eine Zusammenstellung von Gebrauchsregelungen, die die Art und Weise des zulässigen Gebrauchs des Sonder- und Gemeinschaftseigentums konkretisieren. Ihr Zweck es ist, ein geordnetes und störungsfreies Zusammenleben der Wohnungseigentümer zu ermöglichen, das Gemeinschaftseigentum zu pflegen und die allgemeine Sicherheit und Ordnung innerhalb der Wohnanlage zu gewährleisten. Aus dem Begriff der Hausordnung sind mithin keine Rechtsfolgen abzuleiten; nicht "die Hausordnung" ist von Bedeutung, sondern die einzelnen darin enthaltenen (Gebrauchs-)Regelungen.
Rz. 36
Normalerweise wird die Hausordnung von den Wohnungseigentümern beschlossen. Sie kann deshalb – wie jeder Beschluss – durch erneuten Beschluss auch wieder geändert ändern. Durch Beschluss kann die Aufstellung (i.S. einer verbindlichen "Ingeltungsetzung") nicht dem Verwalter übertragen werden. Manchmal sieht aber die Gemeinschaftsordnung die "Aufstellung" durch den Verwalter vor; das ist wirksam. Auch in diesem Fall kann die Gemeinschaft aber die Hausordnung jederzeit durch Mehrheitsbeschluss ändern oder sie von vornherein anstelle des Verwalters beschließen. Manchmal sind einzelne Bestimmungen mit "Hausordnungscharakter" oder gleich eine ganze Hausordnung (formeller) Bestandteil der Teilungsklärung. Ob solche Regelungen durch Beschluss geändert werden können, ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln (→ § 1 Rdn 7); im Normallfall ist davon auszugehen.
Rz. 37
Wie oben (→ § 3 Rdn 31) erwähnt, sind "ordnungswidrige" Gebrauchsregelungen (hier: Hausordnungsbeschlüsse) grundsätzlich "nur" rechtswidrig, nicht aber nichtig. Nichtig sind sie bei Vorliegen eines der allgemeinen Nichtigkeitsgründe, wobei vor allem die Unbestimmtheit eine Rolle spielt (allgemein → § 2 Rdn 53). Ob beschlossene Regelungen nichtig oder wirksam, rechtswidrig oder rechtmäßig sind, ist letztlich eine Frage des Einzelfalles. Streitige und praxisrelevante Fälle werden nachfolgend dargestellt. Hinweis: Dass eine beschlossene Regelung als rechtswidrig oder nichtig beurteilt wird bedeutet nicht, dass sie nicht mit demselben Inhalt wirksam Gegenstand der Gemeinschaftsordnung sein könnte.
2. Einzelfälle
Rz. 38
Blumenkästen. Die Anbringung (auch) auf der Außenseite des Balkons ist nicht á priori unzulässig, vielmehr sozialadäquat, kann aber in der Hausordnungs-)Beschluss untersagt werden. Im Mietrecht ist es genauso: Wenn vernünftige Gründe gegen die Anbringung auf der Balkonaußenseite sprechen, kann der Vermieter sie untersagen. Beim Gießen ist Rücksicht auf die Nutzer der darunter befindlichen Wohnungen zu nehmen.
Rz. 39
Grillen im Garten oder auf Balkonen kann erhebliche Geruchsbelästigungen mit sich bringen und ist eine häufige Quelle des Streits zwischen Nachbarn und insbesondere in Mehrfamilienhäusern. Eine Beschränkung des Grillens ist deshalb rechtmäßig, ebenso die vollständige Untersagung des "Grillens mittels offener Flamme", wozu Feuerstellen und Holzkohlegrills gehören (Muster → § 3 Rdn 49). Von Elektrogrills gehen hingegen geringere Störungen aus, sodass ein undifferenzierter Beschluss, wonach das Grillen auf dem Balkon ohne Einschränkung gestattet ist, zutreffend für ungültig erklärt wurde. Ohne Regelung in der Hausordnung hängt es vom Einzelfall (Lage und Größe des Gartens bzw. der sonstigen Örtlichkeiten, Häufigkeit, verwendetes Grillgerät usw.) ab, ob das Grillen gar nicht, uneingeschränkt oder zeitlich und/oder örtlich begrenzt oder ohne Einschränkung hinzunehmen ist. Die ältere Rspr. ist teilweise (zu) großzügig: Demnach sei "Grillen in den Sommermonaten üblich" und dreimaliges Grillen auf der Terrasse kein Nachteil i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG.
Rz. 40
Hundehaltung (siehe auch das Stichwort Tierhaltung). Beschränkungen nach Zahl und Art sind rechtmäßig; ein generelles Verbot der Hundehaltung ohne Rücksicht auf den Einzelfall ist es aber nicht. Richtiger Ansicht nach ist ein entsprechender Beschluss sogar (aus denselben Gründen wie ein generelles Tierhalteverbot → § 3 Rdn 50) nichtig. Soweit die h.M. (bislang) keine Nichtigkeit annimmt, wird quasi ersatzweise betont, dass im Einzelfall die Durchsetzung des Verbots ge...