Rz. 276

Auf folgende besondere Fälle ist wegen der praktischen Bedeutung hinzuweisen:

 

Rz. 277

Fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrages

Die fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrages kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde erforderlich machen. Das ist der Fall, wenn der Amtsrichter Beweisanträge der Verteidigung in der Hauptverhandlung ohne (ausreichende) Angabe von Gründen ablehnt (auch OLG Jena, zfs 2012, 232 = VRS 122, 223; OLG Oldenburg, NZV 2012, 108 = NStZ-RR 2012, 182 = zfs 2012, 406). Das war bereits nach § 77 OWiG a.F. unzulässig (BayObLG, NStZ 1986, 467; zur Ablehnung eines Beweisantrages im OWi-Verfahren Rdn 249 ff.), die Neufassung des § 77 OWiG hat daran nichts geändert (OLG Köln, VRS 74, 210). Aus § 77 Abs. 3 OWiG ist abzuleiten, dass ein Beweisantrag, der in der Hauptverhandlung gestellt worden ist, stets nur durch begründeten Beschluss abgelehnt werden darf. Lediglich bei der Ablehnung eines Beweisantrages nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann die Begründung i.d.R. darauf beschränkt werden, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei (OLG Köln, a.a.O.). Allerdings verlangen die Obergerichte dann aber eine nachprüfbare Begründung in den Urteilsgründen (vgl. OLG Hamm, DAR 2007, 217 = zfs 2006, 854 = VRS 111, 375 = VRR 2007, 30; vgl. noch Rdn 279).

 

Rz. 278

Unzulängliche oder fehlende Urteilsgründe

Häufig sind die Urteilsgründe der amtsgerichtlichen Entscheidung unzulänglich, gelegentlich fehlen sie auch ganz (zum Absehen von den Urteilsgründen Burhoff/Deutscher, OWi, Rn 3804 ff.). Ist das Letztere der Fall, wird jedoch nicht allein deshalb die Rechtsbeschwerde zugelassen (vgl. die Nachw. bei Burhoff/Deutscher, OWi, Rn 3823). Vielmehr ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 1 und 2 OWiG anhand des abgekürzten Urteils, des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrags und sonstiger Umstände, die auch aus ggf. nachgeschobenen Urteilsgründen hergeleitet werden können, erforderlich (u.a. BGHSt 42, 187 = NJW 1996, 3157 = VRS 92, 135; KG, VRS 82, 135 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.8.2018 – 1 RBs 200/18; OLG Hamm, VRS 99, 219 = NZV 2001, 355; OLG Köln, NZV 1997, 371). Handelt es sich um ein abgekürztes Urteil, gilt das entsprechend (zu einem Sonderfall s. OLG Köln, a.a.O.). Entsprechend angewendet werden die Grundsätze auch bei "nur" unzulänglichen Urteilsgründen (OLG Düsseldorf, VRS 81, 375; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Köln, VRS 75, 116) oder wenn nach § 77b OWiG rechtsfehlerhaft von einer Urteilsbegründung abgesehen worden ist (OLG Hamm, VRS 74, 447; s. aber OLG Hamm, JMBl. NW 1980, 69; OLG Karlsruhe, Die Justiz 1977, 244 ([Zulassung, um einer so fehlerhaften Abfassung der Urteilsgründe, dass nach ihrem Inhalt nicht mehr erkennbar ist, ob die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt ist, entgegenzuwirken]).

 

Hinweis

In den o.a. Fällen ist dringend zu empfehlen, den Zulassungsantrag zu begründen und im Einzelnen darzulegen, warum sich bei ordnungsgemäßer Begründung des Urteils ein Zulassungsgrund ergeben würde.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge