Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
a) Allgemeines
Rz. 258
Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ist eine Beschwer des Rechtsbeschwerdeführers. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln: Es ist also nur derjenige beschwert, dessen Rechte oder schutzwürdigen Interessen durch die angefochtene Entscheidung unmittelbar beeinträchtigt sind (BGHSt 16, 374 ff.; wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 9 ff. m.w.N.: zur Beschwer bei der Rechtsmitteleinlegung allgemein Burhoff/Kotz/Kotz, Teil A Rn 1383 ff.).
Rz. 259
Die Anfechtungsberechtigung richtet sich ebenfalls nach den allgemeinen Regeln. Danach sind also zur Einlegung der Rechtsbeschwerde i.d.R. berechtigt:
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der Betroffene und |
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die StA. |
Für den Betroffenen kann der Verteidiger aus eigenem Recht und im eigenen Namen Rechtsbeschwerde einlegen (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 297 StPO), allerdings nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen.
b) Frist
Rz. 260
Nach § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 341 Abs. 1 StPO muss die Rechtsbeschwerde bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden (vgl. eingehend Burhoff/Junker, OWi, Rn 3103 ff.; Junker/Veh, VRR 2006, 9; dies., VRR 2006, 50; Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn 1129 ff.; allgemein zur Rechtsmitteleinlegung Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 1466 ff.; Burhoff/Burhoff, HV, Rn 2582 ff. m.w.N.; zur Einlegung der Revision Burhoff/Burhoff, HV, Rn 2818 ff.). Wenn die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Betroffenen stattgefunden hat und dieser auch nicht durch einen gem. § 73 Abs. 3 OWiG schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten war oder aber ein Beschluss nach § 72 OWiG ergangen ist, beginnt die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 4 OWiG erst mit der Zustellung (zur Vertretung des Betroffenen durch den Verteidiger Burhoff/Burhoff, HV, Rn 3834 ff. m.w.N.).
c) Form
Rz. 261
Zur Form der Einlegung der Rechtsbeschwerde bestimmt § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 341 Abs. 1 StPO, dass sie schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts, dessen Urteil angefochten wird, zu erklären ist (vgl. Burhoff/Junker, OWi, Rn 3089 ff.; Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn 1115 ff.; allgemein Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 1517 ff.; Burhoff/Burhoff, HV, Rn 2815 für die Revision). Wird die Rechtsbeschwerde, was die Regel sein dürfte, schriftlich eingelegt, muss das in deutscher Sprache geschehen. Die Rechtsbeschwerde kann (vom Betroffenen) telegrafisch oder durch Fernschreiber eingelegt werden, möglich ist grds. auch die Einlegung durch sog. Telefax (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 341 Rn 7 und Einl. Rn 139 m.w.N.; Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn 115 ff.; allgemein Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 1509 ff.; Burhoff/Burhoff, HV, Rn 684 ff.). Die telefonische Einlegung ist nach überwiegender Meinung wirkungslos (OLG Hamm, DAR 1995, 457 = NZV 1996, 123 für telefonische Rechtsbeschwerdebegründung; s. aber LG Münster, NJW 2005, 166 = zfs 2005, 42 gegen BGHSt 30, 64 = NJW 1981, 1627).
Hinweis
Für den Verteidiger gilt seit dem 1.1.2022 gem. § 110c S. 1 i.V.m. § 32d S. 2 StPO die Pflicht zur elektronischen Übermittlung (Stichwort: beA!!; dazu Deutscher, VRR 2/2022, 4 ff.; zur strittigen Frage der Einlegung des Einspruchs per beA einerseits AG Hameln, Beschl. v. 14.2.2022 – 49 OWi 23/22, DAR 2022, 284 = NZV 2022, 333 = VRR 4/2022, 26; andererseits AG Tiergarten, Beschl. v. 5.4.2022 – 310 OWi 161/22, zfs 2022, 412 = DAR 2022, 353; zur Rspr. betreffend das beA vgl. die Übersicht bei Burhoff, VRR 8/2022, 4).
d) Antrag an das Rechtsbeschwerdegericht (§ 346 StPO)
Rz. 262
Wird die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde versäumt, verwirft das AG, dessen Urteil angefochten wird, die Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig. Dagegen kann der Beschwerdeführer binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses gem. § 346 Abs. 2 StPO auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragen. Dieser Antrag ist ein befristetes Rechtsmittel eigener Art, für das die Vorschriften der sofortigen Beschwerde entsprechend gelten. Der Antrag muss schriftlich gestellt werden, bedarf aber sonst keiner besonderen Form. Über den Antrag entscheidet das Rechtsbeschwerdegericht, das prüft, ob die Frist tatsächlich versäumt worden ist. Ist das nicht der Fall, wird der Verwerfungsbeschluss aufgehoben (wegen der Einzelh. Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn 1072 ff.; Burhoff/Burhoff, HV, Rn 2672 ff. für die Revision; Burhoff/Junker, OWi, Rn 3038 ff.).
Hinweis
Neben dem Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach § 346 Abs. 2 StPO kann auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den allgemeinen Regeln beantragt werden, wenn der Beschwerdeführer ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde verhindert war. Werden beide Anträge gestellt, wird zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden, weil sich bei dessen Erfolg der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO erledigt (zum Wiedereinsetzungsantrag Burhoff/Burhoff, HV, Rn 4038 ff.; Burhoff/Burhoff, EV, Rn 5374; ...