a) Allgemeines

 

Rz. 156

Der Verteidiger muss die Umstände der Messung mit seinem Mandanten besprechen und versuchen, mögliche Störfaktoren von diesem zu erfragen. Dazu muss dann bereits beim AG vortragen werden. Es reicht nicht, wenn erst mit der Rechtsbeschwerde Fehler bei der Messung geltend gemacht werden. Das OLG ist an die tatsächlichen Feststellungen des AG gebunden (zu den Auswirkungen der Entscheidung des BGH BGHSt 46, 358 = NJW 2001, 1952 = NZV 2001, 267 = DAR 2001, 275) für die Verteidigungspraxis Burhoff, ZAP Fach 9, S. 955; Burhoff, VA 2002, 171; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3728 ff.; Krumm, NJW 2012, 1860; zur AAK-Messung und zu den AAK-Grenzwerten aus naturwissenschaftlicher Sicht eingehend Haffner/Graw, NZV 2009, 209).

 

Hinweis

In der Rechtsprechung geklärt sein dürfte inzwischen die Frage, ob der Betroffene vor der Atemalkoholmessung über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung belehrt werden muss und ob ein Beweisverwertungsverbot besteht, wenn die Belehrung unterbleibt. Die Belehrungspflicht wird von der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung abgelehnt (KG, NStZ 2015, 42 = VA 2014, 212 = NStZ-RR 2014, 384 [Ls.] = zfs 2015, 48 = NZV 2015, 205; OLG Brandenburg, VRR 2013, 389 = VA 2013, 192 = StRR 2013, 477 = NStZ 2014, 524 = NZV 2015, 254; AG Michelstadt NZV 2012, 97; auch Cierniak/Herb, NZV 2012, 40 ff.; Soiné, NZV 2016, 411, 413; a.A: LG Freiburg, NZV 2009, 614; AG Frankfurt, NZV 2010, 266 [Ls.]; Geppert NStZ 2014, 481; vgl. noch Burhoff/Burhoff, EV, Rn 1308 und eingehend Urbanzyk/Homann, DAR 2018, 402).

Will der Verteidiger die Frage (noch einmal) vom OLG entscheiden lassen, muss in der Hauptverhandlung der Verwertung des Messergebnisses widersprochen werden (zur "Widerspruchslösung" Burhoff/Burhoff, HV, Rn 4012 und Burhoff/Burhoff, OWi, 561 ff., jew. m.w.N.).

b) Fehlende oder ungültige Eichung

 

Rz. 157

Der BGH hat im Leitsatz seines Beschlusses v. 3.4.2001 (BGHSt 46, 358 = NJW 2001, 1952 = NZV 2001, 267 = DAR 2001, 275) ausdrücklich festgehalten, dass der bei der Messung gewonnene Wert ohne Sicherheitsabschlag (nur) dann "verwertbar" ist, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (vgl. Anl. 7 Nr. 9.3 zu § 34 MessEV). Bei Fehlen der erforderlichen Eichung sind die ermittelten Werte also nicht verwertbar (so auch Janker, DAR 2002, 53). Auf die mit einem nicht geeichten Gerät ermittelten Werte kann auch nicht die Rechtsprechung der OLG zur Rotlichtüberwachung oder zu Geschwindigkeitsmessungen mit nicht oder nicht mehr geeichten Messgeräten angewendet werden (dazu z.B. KG NZV 1992, 251; OLG Hamm NZV 1993, 361; s.a. § 2 Rdn 115). Diese hält die ermittelten Ergebnisse für verwertbar, wenn ein größerer Sicherheitsabschlag gemacht wird. Diese Rechtsprechung kann aber auf die AAK-Messung deshalb nicht angewendet werden, weil bereits bei der Festlegung der AAK-Werte im Tatbestand des § 24a Abs. 1 StVG vom Gesetzgeber Grenzwerte eingeführt worden sind, die einen Sicherheitsabschlag zugunsten des Betroffenen enthalten (dazu auch BGH, a.a.O.; Janker, DAR 2002, 53). Damit würde, wenn man (weitere) Sicherheitsabschläge zuließe, der Tatbestand des § 24a StVG verändert (BGH, a.a.O.).

 

Hinweis

Bei einem Atemalkoholmessgerät beginnt die Eichgültigkeit mit dem Tag der Eichung und endet mit Ablauf des sechsten Monats, welcher auf den Monat der Eichung folgt (OLG Dresden, VRR 2008, 188 = VA 2008, 105 = StRR 2008, 278; zur Eichung § 2 Rdn 115).

Zur Frage des Rechts auf Einsicht in die sog. Lebensakte des Messgeräts wird verwiesen auf Rdn 168. Die Bedienungsanleitung für das Dräger-Gerät findet sich im Internet unter: http://www.draeger.com/DE/de/products/alcohol_drug_detection/evidential/cdi_alcotest_7110_evidential.jsp.

c) Verfälschung der Messergebnisse durch sonstige Störfaktoren

 

Rz. 158

Über die ggf. technischen Probleme hinaus können die Umstände der Messung zu einem verfälschten Messergebnis führen. Insoweit kommen in Betracht (s. § 2 Rn 122 und auch noch Janker, DAR 2002, 54; Hentschel/König/Dauer/König, § 24a StVG Rn 17 m.w.N.; VA 2000, 1 ff. und vor allem aus neuerer Zeit [einschränkend] Schuff, StRR 2012, 177 = VRR 2012, 178).

 

Rz. 159

Hinzuweisen ist auf folgende mögliche Störfaktoren:

Luftfeuchtigkeit und Temperatureinfluss,
Mundrestalkohol, der z.B. in Zahnfleischtaschen und in Zahnprothesemitteln vorhanden ist,
Verwendung von Mundwasser, Rachenspray, Toiletten- und/oder Rasierwasser oder auch Asthma-Aerosol (vgl. OLG Hamm, zfs 2001, 426 = BA 2001, 454),
Atemkapazität und Atemtechnik, wie z.B. ggf. Hypoventilation (vgl. [aber] OLG Bamberg, NJW 2006, 2197 = NZV 2006, 490; OLG Zweibrücken, zfs 2019, 290 = VA 2019, 160; Jachau/Wittig/Krause BA 2007, 9),
Hustenlöser (OLG Hamm NZV 2008, 260 = DAR 2008, 395 = VA 2008, 63 = VRR 2008, 189),
Kaugummi, Lutschbonbons (Fishermen's Friend) (dazu die Ausführungen bei OLG Stuttgart, VRS 119, 372 = VRR 2011, 34 = VA 2010, 189; s. noch OLG Dresden, Beschl. v. 28.4.2021 – OLG 22 Ss 672/20 (B), DAR 2021, 463).

d) Zutreffende Ermittlung des AAK-Wertes

 

Rz. 160

Das Dräger-Messgerät ermittelt zwei Einzelmessergebnisse aus denen der maßgeblich...

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