Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
Rz. 106
Zur Funktionsweise des Video-Abstands-Messverfahren (VAMA) oder seiner Weiterentwicklung VKS wird verwiesen auf die Ausführungen bei § 1 Rdn 356 ff. (dazu eingehend auch Burhoff/H.-P. Grün/Eichler u.a., OWi, Rn 99 ff.; Krumm, DAR 2007, 129; OLG Bamberg, VRR 2013, 111 = zfs 2013, 290 = VA 2013, 30). Auch diese Messverfahren sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung als geeignet zur Abstandsmessung und als zuverlässig anerkannt worden (grundlegend OLG Hamm, NZV 1994, 120; OLG Hamm, DAR 1996, 382 bei Burhoff; OLG Bamberg, NJW 2015, 1320 = DAR 2015, 396 m.w.N.; OLG Dresden, VRS 109, 196 = VRR 2005, 315 = DAR 2005, 637 zu "VKS"; OLG Zweibrücken, zfs 2017, 412; AG Landstuhl, DV 2016, 190; Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 150 ff. m.w.N.; Krumm, DAR 2005, 55). Die Rechtsprechung verlangt nur in geringem Maße Toleranzabzüge: Bis zu einer Geschwindigkeit von 154 km/h ist kein Sicherheitsabschlag auf den im Nahbereich ermittelten Abstand erforderlich (vgl. Burhoff/H.-P. Grün/Eichler u.a., OWi, Rn 112 ff. m.w.N.). Für den Fernbereich reicht die Inaugenscheinnahme des vorliegenden Videofilms aus.
Hinweis
Bei den Messverfahren handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren i.S.d. BGH-Rechtsprechung (s. dazu OLG Bamberg, VA 2012, 101 = VRR 2012, 163 = DAR 2012, 268; OLG Bamberg, NJW 2015, 1320 = DAR 2015, 396 m.w.N.; OLG Dresden, VRS 109, 196 = VRR 2005, 315 = DAR 2005, 637; OLG Zweibrücken, zfs 2017, 412; AG Landstuhl, DV 2016, 190; AG Recklinghausen, StRR 2010, 403 [Ls.]; auch noch OLG Bamberg, VA 2013, 30 = VRR 2013, 111 = zfs 2013, 290 und Rdn 44 ff.). Es ist daher ausreichend, wenn im Urteil nur ein Hinweis auf das Messverfahren erfolgt (OLG Hamm, DAR 1996, 382 bei Burhoff). Dieses muss selbst nicht mehr näher beschrieben werden (OLG Dresden, a.a.O.; auch Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 153 ff. m.w.N.).
Wird die Abstandsmessung mit einer anderen Videokamera betrieben, als sie die zum Tatzeitpunkt geltende Bauartzulassung vorsieht, handelt es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren (für das Dista-4-Verfahren OLG Jena, VRS 115, 431).
Rz. 107
Das VAMA-Verfahren ist/war in der Diskussion (dazu Wietschorke, NZV 2007, 346; Burhoff, VRR 2007, 329 = VA 2007, 167). In der Vergangenheit war man davon ausgegangen, dass die angezeigte Zeit in dem sich in dem Gerät befindenden Charaktergenerator mit der Videostoppuhr CG-P50E, der zwischen Kamera und Videorekorder geschaltet wird, gebildet und das Videobild eingeblendet wird. Der Sachverständige Wietschorke hatte durch einen Versuch nachgewiesen, dass in dem Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät JVC/Piller CG-P50E keine Uhr eingebaut ist, welche zur Einblendung der Zeit in dem Videobild führt. Die Videostoppuhr CG-P50E misst nicht wirklich die Zeit, sondern nur die Bilder pro Sekunde, die die Kamera aufgenommen hat. Aufgrund dieser Feststellungen war die Frage aufgetaucht, ob das Verfahren noch als standardisiertes Messverfahren angesehen werden kann (dazu auch Burhoff, a.a.O.).
Rz. 108
Zu dieser Thematik liegt Rechtsprechung vor. Das OLG Bamberg (DAR 2008, 98 = VRR 2008, 73 = VA 2008, 52) hat das Verfahren (zunächst) nicht mehr als standardisiertes Messverfahren an und verlangte zu den bisher schon erforderlichen Feststellungen zusätzliche Feststellungen, und zwar die Bezeichnung der die Abstandsmessung durchführenden Polizeidienststelle sowie die Bezeichnung des bei der Messung konkret eingesetzten Charaktergenerators nach seiner Geräteidentifikations-Nummer. Im Beschl. v. 12.12.2102 (OLG Bamberg, zfs 2013, 290) hat es dann aber darauf hingewiesen, dass die Standardisierung des Abstandsmesssystem allein auf dem Charaktergenerator beruht. Zudem hat die geführte Diskussion auch allein das Problem berührt, ob sog. PAL Kameras zum Einsatz gekommen sind oder nicht (AG Lüdinghausen, VA 2008, 34 = VRR 2008, 77 = NZV 2008, 109 = DAR 2008, 160). Soweit das (inzwischen) der Fall ist und ist die Kamera mit dem Generator zusammen geeicht, besteht kein Zweifel an der Anwendung der Grundsätze des standardisierten Messverfahrens (OLG Zweibrücken, zfs 2017, 412; AG Landstuhl, Beschl. v. 6.2.2017 – 2 OWi 4286 Js 12911/16).
Hinweis
Jedenfalls sollte der Verteidiger nach wie vor einen höheren Sicherheitsabschlag geltend machen. Zudem muss er darauf achten, dass das Messsystem mit einer PAL-Kamera betrieben wird, da diese jetzt auch von der PTB vorgeschrieben wird. Denn diese hat inzwischen am 5.7.2007 durch einen (neuen) Zulassungsnachtrag die alte Rechtslage wieder hergestellt. Dieser beschreibt nunmehr den verwendeten Charaktergenerator CG P 50-E der Firma Piller in seiner Funktion richtig – nicht als "innere Uhr" – und setzt den Einsatz von "PAL"-Kameras voraus (zu allem auch § 1 Rdn 574 ff.).
Bei einer Abstandsmessung mit dem Generator und Timer JVC/Piller, Typ CG-P50 – ist aber keine zusätzliche Eichung über die PTB-Zulassung hinaus erforderlich (AG Landstuhl, VA 2011, 161).