Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
Rz. 36
Zur Zulässigkeit und den Voraussetzungen einer Einschaltung Privater bei der Geschwindigkeitsüberwachung wird verwiesen u.a. auf Steegmann, NJW 1997, 2157; Hornemann, DAR 1999, 158; Beck/Berr/Schäpe, Rn 497 ff.; eingehend Burhoff/Niehaus, OWI, Rn 622 ff.; Insoweit gilt: Die mit der Verkehrsüberwachung im Zusammenhang stehenden hoheitlichen Kompetenzen können Privatpersonen zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Warnung nur im Wege einer Beleihung übertragen werden. Die Beleihung Privater mit öffentlich-rechtlichen Kompetenzen bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage (OLG Oldenburg, VA 2009, 104 = VRR 2009, 270 = VRS 116, 222 m.w.N.).
Hinweis
Ist der Einsatz des privaten Messpersonals nicht zulässig, so liegt eine rechtswidrige Beweiserhebung, und damit ein Beweiserhebungsverbot vor (vgl. nachstehend Rdn 37).
Rz. 37
Die rechtswidrige Beweiserhebung durch Private führt zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn
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ein gravierender Verfahrensfehler vorliegt (BayObLG, DAR 1997, 206 = NZV 1997, 276 = NStZ-RR 1997, 312 = VRS 93, 416; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2003, 342; AG Bernau, DAR 1998, 76; AG Bergisch-Gladbach DAR 1999, 281, |
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die Beweiserhebung willkürlich zulasten des Betroffenen unter bewusster oder grob fahrlässiger Missachtung geltender gesetzlicher Bestimmungen erfolgt ist (BayObLG, DAR 1997, 206 = VRS 93, 417 = NZV 1997, 276; OLG Frankfurt am Main, NJW 1995, 2570 = DAR 1995, 335 = NZV 1995, 368; AG Bernau, DAR 1998, 76, 77; vgl. noch BayObLG, NJW 1997, 3454 = DAR 1997, 407 = NZV 1997, 487 und NJW 1999, 2200 = DAR 1999, 321 = NZV 1999, 258). |
Rz. 38
Bei folgendem Vorgehen wurde ein Beweisverwertungsverbot bejaht (Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 596; Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 625 ff.; Burhoff, VA 2013, 16):
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Die Gemeinde überträgt dem Privaten die Aufgaben der Verkehrsüberwachung entgegen einem ihr bekannten Erlasses des Ministeriums (OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2003, 342; Beschl. v. 6.11.2019 – 2 Ss OWi 942/19, NStZ-RR 2020, 53 = zfs 2020, 47 = DAR 2020, 107 = VA 2020, 29; Beschl. v. 3.1.2020 – 2 Ss-OWi 963/18, NJW 2020, 696 = DAR 2020, 210 = VRR 2/2020, 23 m. Anm. Deutscher; OLG Naumburg, VRR 2012, 396 = VA 12, 173; ähnlich OLG Köln, Beschl. v. 15.4.2014 – 1 RBs 89/14; AG Gelnhausen, NStZ-RR 2014, 353 = VA 2014, 102; AG Hanau, Urt. v. 29.4.2019 – 50 OWi 2255 Js 15960/18; AG Kassel, VA 2015, 100 = DAR 2015, 414; AG Michelstadt, NZV 2015, 607; AG Parchim, VA 2015, 100; vgl. aber a. OLG Frankfurt am Main, NZV 2015, 607; Beschl. v. 2.1.2020 – 2 Ss 40/19, zfs 2020, 291 = NStZ-RR 2020, 44 = NZV 2020, 380; OLG Hamm, Beschl. v. 18.4.2016 – 2 RBs 40/16; a.A. OLG Rostock, VA 2016, 32 = VRR 2/2016, 14; zu allem a. Rebler DAR 2020, 230), |
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die kommunale Ordnungsbehörde betraut einen Beamten mit der Überwachung des privaten Messpersonals, von dem sie weiß, dass ihm die erforderliche Sachkunde fehlt (OLG Frankfurt am Main, NJW 1995, 2570 = DAR 1995, 335 = NZV 1995, 368; dazu auch AG Karlsruhe, DAR 2011, 221, wonach die Einschaltung Privater nur zulässig ist, wenn der Mitarbeiter die erforderlichen technischen Kenntnisse besitzt und er ausreichend beaufsichtigt wird), |
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der Landkreis hält entgegen einer Empfehlung des Ministeriums an einer unzulässigen Beauftragung Privater fest, obwohl das Problem im Rechtsamt bekannt wurde und in mehreren Parallelfällen auch vom Gericht aufgezeigt wurde (AG Bernau, DAR 1998, 76, 77). |
Rz. 39
Ein Beweisverwertungsverbot verneint hat die Rechtsprechung:
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bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Angestellte eines Landkreises (OLG Oldenburg, VRS 116, 222 = NZV 2010, 163 = VA 2009, 104 = VRR 2009, 270). |
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weil der die Messung ausführende Beamte die Fristen des § 3 ArbeitszeitG überschritten hat, wenn sich dies nicht auf die konkrete Messung ausgewirkt haben kann (AG Strausberg, VRR 2009, 236). |
Hinweis
Das Beweisverwertungsverbot muss der Verteidiger in der Hauptverhandlung mit einem Widerspruch geltend machen. Es gilt die "Widerspruchslösung" des BGH (vgl. grundlegend dazu BGHSt 38, 214; eingehend zur Widerspruchslösung Burhoff/Burhoff, HV, Rn 4012 ff. m.w.N.; zur Widerspruchslösung im Bußgeldverfahren OLG Bamberg, StraFo 2019, 111 = VRR 11/2018, 22 = StRR 11/2018, 22 = VA 2019, 15; Burhoff, VA 2013, 16 und zur Vorgehensweise VA 2013, 35).
Vor der Hauptverhandlung kann sich ggf. ein Antrag auf Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde wegen ungenügender Sachaufklärung empfehlen (§ 69 Abs. 5 S. 1 OWiG, AG Friedberg, zfs 2017, 593).