Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
Rz. 118
Darüber hinaus gilt (auch Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 150 ff.):
aa) Police-Pilot-System
Rz. 119
Das PPS ist für die Abstandsmessung kein standardisiertes Messverfahren (OLG Celle, VRS 81, 210; OLG Düsseldorf, VRR 99, 133, 135; OLG Hamm, VA 2003, 107; zfs 2009, 470; DAR 2009, 156 = VRR 2009, 195), da es den Tatrichter nur in die Lage versetzt, die Beobachtungen der Polizeibeamten im Wege des Augenscheinbeweises unmittelbar und in Anwesenheit der Prozessbeteiligten im Gerichtssaal nachzuvollziehen, insb. also Abstände zwischen Fahrzeugen anhand der bei der Videoprojektion erkennbaren Fixpunkte zuverlässig zu berechnen. Da die Abstände – anders als die Geschwindigkeiten – nicht elektronisch gemessen, sondern unter Auswertung des Videobandes errechnet werden, genügt im Urteil daher nicht die Bezeichnung des Verfahrens. Vielmehr müssen die Auswertung und die Berechnung, um eine Überprüfung zu ermöglichen, in den Urteilsgründen verständlich und widerspruchsfrei dargelegt werden (OLG Hamm, a.a.O.).
bb) Abstandsmessung durch Nachfahren
Rz. 120
Bei einer durch Nachfahren festgestellten Abstandsunterschreitung gilt:
▪ |
Es muss sich aus dem tatrichterlichen Urteil ergeben, über welche Strecke sich das Messfahrzeug schräg versetzt auf dem rechten Fahrbahnstreifen hinter dem Fahrzeug des Betroffenen befunden hat (OLG Düsseldorf, VRS 103, 305 = NZV 2002, 519; OLG Hamm, VA 2001, 58; VRS 110, 281 = zfs 2006, 351 = DAR 2006, 338; dazu Krumm, NZV 2004, 377; und Burhoff/Gieg, OWi, Rn 166). |
▪ |
Das Urteil muss erkennen lassen, ob es sich um ein Vorausfahren (dazu Rdn 28) oder Nachfahren gehandelt hat. |
▪ |
Festgestellt werden muss, ob der eingesetzte Polizeibeamte in der Abstandsmessung geübt bzw. geschult ist/war. HinweisDer Amtsrichter muss sich von den Fähigkeiten der Polizeibeamten hinsichtlich Abstandsschätzungen im fließenden Verkehr "in hinreichendem Maße" überzeugen (OLG Hamm, VRS 110, 281 = zfs 2006, 351 = DAR 2006, 338). Dazu muss der Richter den Polizisten befragen, über welche Erfahrungen er diesbezüglich verfügt und welche Schulungen, aber auch Nachschulungen, er bereits absolviert hat (OLG Düsseldorf, VRS 103, 305 = NZV 2002, 519; zu "alten" Schulungsnachweisen – für die Geschwindigkeitsüberschreitung – s. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.7.2014 – 1 RBs 50/14, insoweit nicht in OLG Düsseldorf, VRR 2014, 392 = VA 2014, 193). Dazu sind dann auch im Urteil Feststellungen zu treffen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; zu Schulungsnachweisen Golder, VRR 2012, 377). |
▪ |
Die Witterungssituation/Tageszeit ist darzulegen, damit ggf. erhöhte Darlegungsanforderungen bei Feststellungen zur Nachtzeit festgestellt werden können. |
▪ |
Festgestellt werden muss die ununterbrochene Beobachtung der Abstandsstrecke und der Geschwindigkeit, was insb. bei allein fahrendem Polizeibeamten schwierig ist (Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 166). |
▪ |
Angegeben werden muss die abgelesene Geschwindigkeit; erforderlich sind weiter Angaben hinsichtlich der Eichung bzw. Justierung des Tachometers des Polizeifahrzeugs; fehlen diese, ist von fehlender Eichung/Justierung mit höheren Toleranzabzügen auszugehen. |
▪ |
Schließlich ist die Messstrecke, der Abstand des zu messenden Fahrzeugs von der Abstandsstrecke und die Abstandsstrecke selbst (bei Nachfahren) bzw. die Messstrecke und der Abstand (bei Vorausfahren) festzustellen. |
Hinweis
Für eine Abstandsmessung zur Nachtzeit gelten die Ausführungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung zur Nachtzeit entsprechend (s. Rdn 84 ff.).
cc) Abstandsmessung durch Vorausfahren
Rz. 121
Bei der Abstandsmessung aus einem vorausfahrenden Fahrzeug kann zur Feststellung des zu geringen Abstandes das Beobachten durch die Heckscheibe mittels des Innenspiegels und/oder das Umschauen ausreichen (vgl. a. OLG Bremen, Beschl. v. 24.9.2015 – 1 SsBs 67/15 für eine anschließende Rekonstruktion auf der Standspur).
Rz. 122
Allerdings sind besondere Anforderungen an diese verhältnismäßig unsicheren Messmethoden zu stellen (dazu OLG Bremen, Beschl. v. 24.9.2015 – 1 SsBs 67/15; OLG Hamm, VA 2001, 58; AG Lüdinghausen, DAR 2008, 655 = VRR 2009, 71 = NZV 2009, 159):
▪ |
Voraussetzung ist eine ununterbrochene Beobachtung durch erfahrene Polizisten und |
▪ |
eine genaue Messung von Zeit und Strecke (OLG Koblenz, VRS 71, 66). |
▪ |
Die besondere Sachkunde der beobachtenden Personen muss im Urteil dargelegt werden (OLG Bremen, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.). |
▪ |
Wegen der erheblichen Fehlerquellen ist ggf. ein großer Sicherheitsabschlag zu machen. Nach OLG Düsseldorf reichen 33,3 % nicht aus (OLG Düsseldorf, VRS 68, 229). |