Rz. 250

Nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann der Beweisantrag abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Das ist gegeben, wenn der Sachverhalt aufgrund verlässlicher Beweismittel so eindeutig geklärt ist, dass die beantragte Erhebung des Beweises an der Überzeugung des Gerichts nichts ändern würde (s.u.a. KG, VA 2017, 200 [Rotlichtverstoß]; VA 2019, 50 [Fahreridentifizierung]; OLG Brandenburg, VA 2012, 158 = VRR 2012, 396; OLG Celle, NJW 2010, 3794 = NZV 2010, 634 = VRR 2010, 474 = VA 2011, 13; OLG Düsseldorf, VRS 76, 377 = NZV 1989, 163; OLG Hamm, NZV 2008, 417 = VRS 114, 290; OLG Hamm, VRR 2010, 474 = VA 2010, 122; ; Beschl. v. 11.5.2021 – 5 RBs 94/21, zfs 2021, 529; OLG Jena, VRS 107, 379; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.9.2020 – 1 Rb 37 Ss 473/20, VRR 8/2021, 23; OLG Schleswig SchlHA 2010, 262 [Dö/Dr; Aufklärungspflicht bei der Täteridentifizierung]; Göhler/Seitz/Bauer, § 77 Rn 13 m.w.N. zu § 77 OWiG a.F.) bzw., wenn die Aussichtslosigkeit der Beweiserhebung zweifelsfrei feststeht (Göhler/Seitz/Bauer, § 77 Rn 13, m.w.N.). Oder: Unter Berücksichtigung des Gewichts des bisherigen Beweisergebnisses auf der einen und desjenigen des weiteren Beweismittels, dessen zusätzliche Verwendung beantragt ist, auf der anderen Seite muss nach dem Ergebnis der Gesamtbeweislage die Möglichkeit, die Überzeugung des Gerichts könne durch die beantragte Beweiserhebung noch erschüttert werden, vernünftigerweise als ausgeschlossen erscheinen (BayObLG, VRS 87, 367, 368; DAR 1997, 318; auch OLG Celle, OLG Hamm, jeweils a.a.O.).

 

Hinweis

Dass diese Voraussetzungen vorliegen, muss in dem die Ablehnung des Beweisantrages aussprechenden Beschluss oder im Urteil jedenfalls dann, wenn die Gründe nicht offen zutage liegen, im Einzelnen dargelegt werden (u.a. OLG Hamm, NZV 2007, 319). Erst dadurch wird das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt, die für die Ablehnung des Beweisantrags maßgebenden Erwägungen zu überprüfen (BayObLG, DAR 1997, 318).

 

Rz. 251

I.Ü. kommt es darauf an, ob der Beweisantrag ohne eine Verletzung der Aufklärungspflicht abgelehnt werden kann (anschaulich, u.a. für die Einholung eines Sachverständigengutachtens, KG, VA 2017, 200 [Rotlichtverstoß]; OLG Brandenburg, VA 2012, 158 = VRR 2012, 396; OLG Celle, NJW 2010, 3794 = NZV 2010, 634 = VRR 2010, 474 = VA 2011, 13; OLG Düsseldorf, VRS 76, 377 = NZV 1989, 163; OLG Hamm, NZV 2008, 417 = VRS 114, 290; VRR 2010, 474 = VA 2010, 122). Im Einzelnen gilt (auch Burhoff/Burhoff, HV, Rn 1528; Burhoff, VA 2007, 207; Meyer, DAR 2012, 44):

Die Ablehnung eines Beweisantrages wird bei dem Antrag auf Vernehmung eines weiteren Zeugen zur Entkräftung der Aussage eines einzigen bisher vernommenen Zeugen i.d.R. nicht in Betracht kommen (KG, StraFo 2012, 22 [Entlastungsbeweis gegen die Aussage von zwei Polizeibeamten]; OLG Celle, Nds.Rpfl. 2001, 160; OLG Düsseldorf, zfs 2004, 185 m.w.N.; Beschl. v. 11.5.2021 – 5 RBs 94/21, zfs 2021, 529; OLG Jena, StraFo 2004, 357; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.9.2020 – 1 Rb 37 Ss 473/20, VRR 8/2021, 23; OLG Köln, VRS 100, 464; noch OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1999, 183; vgl. i.Ü. Göhler/Seitz/Bauer, § 77 Rn 14 ff. m.w.N.). In diesen Fällen wird es i.d.R. naheliegen, den Zeugen zu hören (OLG Düsseldorf, zfs 2004, 185).
Das gilt auch, wenn nur ein von einem Vorfall gefertigtes Lichtbild vorliegt und der Betroffene Zeugen dafür benennt, dass er als Fahrer ausscheide (KG, Beschl. v. 22.11.2018 – 3 Ws (B) 282/18, VA 2019, 50; OLG Oldenburg, VRS 88, 296; OLG Celle, NJW 2010, 3794 = NZV 2010, 634 = VRR 2010, 474 = VA 2011, 13; SchlHA 201, 262 [Dö/Dr]; vgl. a. KG, Beschl. v. 22.11.2018 – 3 Ws (B) 282/18 VA 2019, 50). Dann sind im Zweifel aber auch Ausführungen zur Ähnlichkeit zwischen den Personen erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 2001, 176 = VRS 100, 358 = zfs 2001, 183; OLG Hamm, DAR 2000, 417 = NZV 2001, 89).

Auch dann, wenn bereits zwei Zeugen/Polizeibeamte den Verstoß des Betroffenen bestätigen, deren Aussagen aber durch einen Gegenzeugen entkräftet werden sollen, ist der Sachverhalt noch nicht ausreichend geklärt (KG, StraFo 2012, 22; Beschl. v. 22.11.2018 – 3 Ws (B) 282/18, VA 2019, 50; OLG Köln, VRS 88, 376; ähnlich KG, NZV 2007, 584 = VRR 2007, 395 = VRS 113, 298). Nach Auffassung des OLG Köln (a.a.O.) muss der Betroffene zumindest hinreichend Gelegenheit erhalten, seine Bedenken gegen die Korrektheit einer Geschwindigkeitsmessung, sofern sie nicht völlig abwegig sind, gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist nicht mehr gewährleistet, wenn der Bußgeldrichter nach Anhörung von Polizeizeugen jede weitere Beweisaufnahme als "zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich" abblockt (OLG Köln, a.a.O.).

 

Hinweis

Entscheidend wird in diesen Fällen sein, ob eine abweichende Aussage des Zeugen zu erwarten ist (vgl. OLG Hamm, DAR 1985, 29 = VRS 67, 450). Der Verteidiger muss dazu in seinem Beweisantrag vortragen (OLG Hamm, a.a.O.).

Entsprechendes gilt für den Antrag auf ...

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