Rz. 63

Bei den sog. standardisierten Messverfahren ist es nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die vorstehenden Nachweise bei Rdn 28) ausreichend, aber auch erforderlich (vgl. [zuletzt] u.a. KG, DAR 2010, 331 = VRR 2010, 151 = VA 2010, 82 = NStZ-RR 2010, 217 [Ls.]; Beschl. v. 23.7.2018 – 3 Ws (B) 157/18, NStZ 2018, 722 = VA 2018, 210; OLG Bamberg, DAR 2012, 154; VRR 2014, 76 = DAR 2014, 38; DAR 2014, 334; DAR 2018, 93 [ES 3.0]; OLG Düsseldorf, VRR 2010, 116 = VA 2010, 64, jeweils für PoliscanSpeed; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2019 – 2 RB 10/18, NZV 2019, 255; OLG Karlsruhe NJW 2010, 1827 = DAR 2010, 216 NStZ-RR 2010, 155 = VRR 2010, 151; Beschl. v. 5.4.2022 – 1 Rb 35 Ss 193/22, VA 2022, 142;OLG Koblenz, NZV 2018, 531; s.a. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2171 ff.; Cierniak, zfs 2012, 664 ff.; vgl. auch die bei § 3 Rdn 51 zu Leivtec XV 3 zitierte neuere OLG-Rspr. und noch Burhoff/Burhoff, OWi Rn 2304 und 2320),

wenn zur Messmethode nur mitgeteilt wird, welches Messverfahren angewandt worden ist, wobei noch nicht einmal der verwendete Gerätetyp angegeben werden muss,
und wenn außerdem (i.d.R.) der zu berücksichtigende Toleranzwert dargelegt wird (u.a. OLG Bamberg, DAR 2016, 90; OLG Celle, VA 2013, 173; OLG Hamburg, NZV 2019, 255; OLG Koblenz, NZV 2013, 202 = DAR 2013, 218 = VA 2013, 67 [Ls.]). Das sind bei Geschwindigkeiten über 100 km/h i.d.R. 3 % (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. OLG Hamm, NZV 1995, 199 = zfs 1995, 276; VA 2003, 87; OLG Karlsruhe, NZV 2007, 256 = zfs 2007, 113 = VRS 111, 427 = VRR 2007, 35; s.a. noch KG, DAR 2009, 39 [5 % bei PPS in der Betriebsart "MAN" ausreichend]).
 

Hinweis

Verschiedene OLG haben in dem Zusammenhang noch einmal darauf hingewiesen, dass die Grundsätze der Rechtsprechung zur Anwendung standardisierter Messverfahren verlangen, dass sich der Tatrichter davon überzeugt haben muss, dass bei der Messung die Vorgaben der Bedienungsanleitung eingehalten wurden (KG, Beschl. v. 23.7.2018 – 3 Ws (B) 157/18, NStZ 2018, 722 = VA 2018, 210; für Riegl FG21-P OLG Bamberg, DAR 2016, 146 = VRR 2/2016, 12; DAR 2018, 93 und OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.4.2022 – 1 RB 35 Ss 193/22, VA 2022, 138; OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.5.2016 – (2 B) 53 Ss-OWi 217/16 [119/16]; vgl. a. AG Dortmund, zfs 2017, 472 und DAR 2018, 700 [jeweils (verneinte) Zuordnungssicherheit bei Riegl LR 90–235P]). Den Weg hat das OLG Brandenburg (a.a.O.) vorgegeben: entweder Beweiserhebung über den Wortlaut der Bedienungsanleitung oder sachverständige Beratung. Beides muss der Verteidiger mit einem Beweisantrag beantragen.

 

Rz. 64

Der Toleranzwert ist deshalb von Bedeutung, weil – auch nach der Rechtsprechung des BGH – der Tatrichter sich bei der Berücksichtigung der Ergebnisse von technischen Geschwindigkeitsmessgeräten bewusst sein muss, dass auch bei diesen Messmethoden Fehler nicht auszuschließen sind, und deshalb den möglichen Fehlerquellen durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen Rechnung getragen werden muss (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081, 3083; vgl. a. BGHSt 28, 1, 2 = NJW 1978, 1930). Dass der Tatrichter dieses Erfordernis gesehen hat, dokumentiert er in den Urteilsgründen durch die erforderliche Mitteilung des Toleranzwertes.

 

Rz. 65

Die Angabe von Messmethode und berücksichtigtem Toleranzwert sind grds. aber auf jeden Fall erforderlich, da sonst das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob es sich um ein wissenschaftlich anerkanntes Messverfahren handelt und ein angemessener Toleranzwert in Abzug gebracht worden ist (OLG Bamberg, zfs 2007, 291 = NStZ-RR 2007, 321; OLG Hamburg, NZV 2019, 255; OLG Hamm, VA 2007, 221 = VRS 113, 348 = DAR 2008, 101; DAR 2018, 93; OLG Koblenz, VA 2013, 67 [Ls.]). Das gilt i.Ü. grds. auch, wenn der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung einräumt (OLG Bamberg, DAR 2009, 655 = VRR 2010, 34 = VA 2009, 212 [für Abstandsmessung]; OLG Hamm, VRS 102, 218 = NZV 2002, 245, 282 = DAR 2002, 226; zuletzt OLG Hamm, VA 2008, 190 = VRR 2008, 323 [Ls.]; OLG Karlsruhe, VRR 2007, 35 = VRS 111, 427; s. aber OLG Köln, NZV 2003, 100 und OLG Koblenz, VA 2013, 67 [Ls.; allerdings in einem "obiter dictum"] und auch KG, Beschl. v. 29.9.2017 – 3 Ws (B) 237/17 [nicht bei Beschränkung des Einspruchs auf die Höhe der Geldbuße]; auch Rdn 66 ff.). Die Bezeichnung als "Radarmessung" ist noch hinnehmbar (OLG Hamm, Beschl. v. 25.8.2005 – 4 Ss OWi 575/05), nicht aber (nur) die Mitteilung, es sei mit einer "stationären Geschwindigkeitsmessanlage" gemessen worden (OLG Hamm, VA 2008, 191 [Ls.]). Auch die Bezeichnung "Starenkasten" ist nicht ausreichend (OLG Celle, VA 2011, 207 = VRR 2012, 72; vgl. a. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2309). Den Toleranzabzug muss das Urteil zwar nicht ausdrücklich mitteilen, der berücksichtigte Toleranzwert muss sich aber aus den Urteilsgründen unzweifelhaft ermitteln lassen (KG, VRS 133, 25).

 

Hinweis

Will das Tatgericht bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von den von der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Toleranzwerten zulasten des Betroffenen abweichen, b...

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