Rz. 279

Diese Bestimmung verpflichtet das Rechtsbeschwerdegericht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde auch dann, wenn es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (dazu BayObLG, NZV 1989, 34; Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn 1262 ff.). Die Zulassung soll danach erfolgen, wenn nicht zweifelhaft sein kann, dass auch das anderenfalls angerufene (Bundes-)Verfassungsgericht, zu dessen Entlastung die Vorschrift ins OWiG eingefügt worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils gelangen würde. Der Zulassungsgrund setzt voraus, dass rechtliches Gehör nicht gewährt worden ist. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln.

 

Rz. 280

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist angenommen worden in folgenden Rechtsprechungsbeispielen:

wenn dem Betroffenen der Schlussvortrag verweigert wird,
sein Verteidiger zurückgewiesen wird (BayObLG, NStZ 1988, 281) oder
seine Teilnahme an der Hauptverhandlung vereitelt wird (OLG Hamm, NJW 1972, 1063) bzw. ein Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG nicht bzw. nicht richtig beschieden worden ist (dazu eingehend Burhoff, VRR 2007, 250),
dem Betroffenen ein erforderlicher rechtlicher Hinweis nicht gegeben worden ist (OLG Hamm, DAR 2010, 99 m. abl. Anm. Sandherr = VRR 2010, 75 = StRR 20120, 224 für Verdoppelung der Geldbuße; vgl. aber insoweit die a.A. OLG Stuttgart, DAR 2010, 590; OLG Bamberg, DAR 2011, 214 = VRR 2011, 155 = zfs 2011, 232),
in den Fällen der verweigerten Einsicht in Messunterlagen (vgl. § 3 Rdn 197 m.w.N. und Burhoff/Junker, OWi, Rn 3181).
 

Hinweis

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs i.S.d. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist aber grds. nur dann gegeben, wenn die erlassene Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Partei hat. Nicht ausreichend ist die bloß falsche Bescheidung eines (Beweis-)Antrages (vgl. u.a. OLG Bremen, Beschl. v. 15.4.2020 – 1 SsRs 16/20; OLG Hamm, VRS 108, 440; VRS 114, 290 = NZV 2008, 417; OLG Köln, VA 2015, 210 = zfs 2016, 351; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.7.2015 – Ss (Rs) 10/15, jeweils m.w.N.; vgl. aber OLG Jena, zfs 2012, 232 = VRS 122, 223; OLG Oldenburg, NZV 2012, 108 = NStZ-RR 2012, 182 = zfs 2012, 406; Burhoff/Junker, OWi, Rn 3255). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt in diesen Fällen aber dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen eines Betroffenen entweder nicht zur-Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (OLG Hamm, zfs 2016, 661 = VA 2016, 84 m.w.N.).

 

Rz. 281

Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht von Amts wegen zu beachten, sondern nur auf Antrag, der in der Form einer Verfahrensrüge erfolgen muss (s. dazu Rdn 297 ff.). Ist diese nicht in der Form des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG ausgeführt, so wird der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Zur ordnungsgemäßen Begründung des Zulassungsantrags gehört auch, dass der Betroffene darlegt, was er im Fall seiner Anhörung geltend gemacht hätte (st. obergerichtliche Rspr. vgl. z.B. OLG Hamm, VRS 107, 127 = NZV 2004, 595; OLG Köln, NZV 1992, 419; zu den Begründungsanforderungen noch OLG Hamm, zfs 2006, 710 = VRR 2006, 394; NJW 2006, 2199; VRS 109, 360 [jeweils für übersehene bzw. nicht beschiedene Entbindungsanträge nach § 73 Abs. 2 OWiG]; Burhoff, VRR 2007, 250 ff.; Burhoff/Junker, OWi, Rn 3257). Denn ansonsten kann nicht beurteilt werden, ob das Urteil einer Nachprüfung durch das BVerfG standhalten würde.

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