Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
1. Grundsatzentscheidung des BGH in BGHSt 46, 358
Rz. 154
Bis zur Entscheidung des BGH v. 3.4.2001 (BGHSt 46, 358 = NJW 2001, 1952 = NZV 2001, 267 = DAR 2001, 275) war unter den OLG umstritten, inwieweit Atemalkoholmessungen mit dem in der Praxis (damals) fast ausschließlich verwendeten Gerät Dräger Alcotest 7119 Evidential MK III – inzwischen gibt es ein Nachfolgegerät AAK-Messgerät Alcotest 9510 DE – zuverlässig und forensisch verwertbar waren (zu den Messverfahren § 2 Rdn 1 ff.). Dabei wurde zwar die grundsätzliche Verwertbarkeit der Messungen nicht infrage gestellt. Die OLG waren jedoch uneins in der Frage, ob von den ermittelten Werten ein (allgemeiner) Sicherheitsabschlag gemacht werden (s. einerseits bejahend OLG Hamm, NZV 2000, 427 = VA 2000, 45, andererseits verneinend BayObLG, zfs 2000, 313).
Rz. 155
Diesen Streit hat der BGH entschieden (BGHSt 46, 358 = NJW 2001, 1952 = NZV 2001, 267 = DAR 2001, 275). Danach ist der bei der Bestimmung der AAK i.S.v. § 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, wie z.B. dem Dräger Alcotest 7110 Evidential MK II oder dem Nachfolgegerät Dräger 9510 DE (dazu zuletzt KG, Beschl. v. 24.3.2922 – 3 Ws (B) 53/22), gewonnene Messwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar,
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wenn das Gerät die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, |
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es unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und |
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die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind. |
2. Verwertbarkeit der Messung
a) Allgemeines
Rz. 156
Der Verteidiger muss die Umstände der Messung mit seinem Mandanten besprechen und versuchen, mögliche Störfaktoren von diesem zu erfragen. Dazu muss dann bereits beim AG vortragen werden. Es reicht nicht, wenn erst mit der Rechtsbeschwerde Fehler bei der Messung geltend gemacht werden. Das OLG ist an die tatsächlichen Feststellungen des AG gebunden (zu den Auswirkungen der Entscheidung des BGH BGHSt 46, 358 = NJW 2001, 1952 = NZV 2001, 267 = DAR 2001, 275) für die Verteidigungspraxis Burhoff, ZAP Fach 9, S. 955; Burhoff, VA 2002, 171; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3728 ff.; Krumm, NJW 2012, 1860; zur AAK-Messung und zu den AAK-Grenzwerten aus naturwissenschaftlicher Sicht eingehend Haffner/Graw, NZV 2009, 209).
Hinweis
In der Rechtsprechung geklärt sein dürfte inzwischen die Frage, ob der Betroffene vor der Atemalkoholmessung über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung belehrt werden muss und ob ein Beweisverwertungsverbot besteht, wenn die Belehrung unterbleibt. Die Belehrungspflicht wird von der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung abgelehnt (KG, NStZ 2015, 42 = VA 2014, 212 = NStZ-RR 2014, 384 [Ls.] = zfs 2015, 48 = NZV 2015, 205; OLG Brandenburg, VRR 2013, 389 = VA 2013, 192 = StRR 2013, 477 = NStZ 2014, 524 = NZV 2015, 254; AG Michelstadt NZV 2012, 97; auch Cierniak/Herb, NZV 2012, 40 ff.; Soiné, NZV 2016, 411, 413; a.A: LG Freiburg, NZV 2009, 614; AG Frankfurt, NZV 2010, 266 [Ls.]; Geppert NStZ 2014, 481; vgl. noch Burhoff/Burhoff, EV, Rn 1308 und eingehend Urbanzyk/Homann, DAR 2018, 402).
Will der Verteidiger die Frage (noch einmal) vom OLG entscheiden lassen, muss in der Hauptverhandlung der Verwertung des Messergebnisses widersprochen werden (zur "Widerspruchslösung" Burhoff/Burhoff, HV, Rn 4012 und Burhoff/Burhoff, OWi, 561 ff., jew. m.w.N.).
b) Fehlende oder ungültige Eichung
Rz. 157
Der BGH hat im Leitsatz seines Beschlusses v. 3.4.2001 (BGHSt 46, 358 = NJW 2001, 1952 = NZV 2001, 267 = DAR 2001, 275) ausdrücklich festgehalten, dass der bei der Messung gewonnene Wert ohne Sicherheitsabschlag (nur) dann "verwertbar" ist, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (vgl. Anl. 7 Nr. 9.3 zu § 34 MessEV). Bei Fehlen der erforderlichen Eichung sind die ermittelten Werte also nicht verwertbar (so auch Janker, DAR 2002, 53). Auf die mit einem nicht geeichten Gerät ermittelten Werte kann auch nicht die Rechtsprechung der OLG zur Rotlichtüberwachung oder zu Geschwindigkeitsmessungen mit nicht oder nicht mehr geeichten Messgeräten angewendet werden (dazu z.B. KG NZV 1992, 251; OLG Hamm NZV 1993, 361; s.a. § 2 Rdn 115). Diese hält die ermittelten Ergebnisse für verwertbar, wenn ein größerer Sicherheitsabschlag gemacht wird. Diese Rechtsprechung kann aber auf die AAK-Messung deshalb nicht angewendet werden, weil bereits bei der Festlegung der AAK-Werte im Tatbestand des § 24a Abs. 1 StVG vom Gesetzgeber Grenzwerte eingeführt worden sind, die einen Sicherheitsabschlag zugunsten des Betroffenen enthalten (dazu auch BGH, a.a.O.; Janker, DAR 2002, 53). Damit würde, wenn man (weitere) Sicherheitsabschläge zuließe, der Tatbestand des § 24a StVG verändert (BGH, a.a.O.).
Hinweis
Bei einem Atemalkoholmessgerät beginnt die Eichgültigkeit mit dem Tag der Eichung und endet mit Ablauf des sechsten Monats, welcher auf den Monat der Eichung folgt (OLG Dresden, VRR 2008, 188 = VA 2008, 105 = StRR 2008, 278; zur Eichung § 2 Rdn 115).
Zur Frage des Rechts auf Einsicht in die sog. Lebensakte des Messgeräts wird verwiesen auf Rdn 168. Die Bedienungsanleitung für das Dräger-Gerät findet sich im Internet...