1. Allgemeines

 

Rz. 103

Für die Feststellung, ob der erforderliche Sicherheitsabstand eingehalten worden ist, stehen in der Praxis verschiedene Messverfahren zur Verfügung. Die in der Praxis häufigsten Messverfahren (vgl. zu den Messverfahren eingehend auch Burhoff/H.P. Grün u.a., OWi, Rn 80 ff.; Rebler, VD 2013, 76 ff.; auch noch Schmedding, DAR 2010, 426; Löhle, DAR 2016, 161; zum Beweisantrag bei Abstandsverstößen Meyer, DAR 2011, 744) sind

die Brückenabstandsmessverfahren (vgl. § 1 Rdn 478 ff.),
das Video-Abstand-Messverfahren (VAMA; vgl. § 1 Rdn 478 ff.), das fortentwickelt worden ist zum sog. VKS 3.01 (dazu u.a. OLG Dresden, VRS 109, 196 = DAR 2005, 637 = VRR 2005, 315),
die Messung mit dem Police-Pilot-System (vgl. zur Geschwindigkeitsüberschreitung § 1 Rdn 1254 ff.) und schließlich
die Messung durch Polizeibeamte ohne technische Geräte.
 

Hinweis

In der Hauptverhandlung wird die von einem Messvorgang vorliegende Videoaufnahme im Wege des Augenscheins eingeführt (OLG Zweibrücken, VRS 102, 102).

Auch für die Messverfahren zur Abstandsmessung muss der Verteidiger die der Messung zugrunde liegende Messung überprüfen können. Dazu gehört auch der Zugriff auf die sog. Rohdaten. Die Ausführungen zur Akteneinsicht u.a. gelten daher auch hier (dazu Rdn 168; s. insbesondere dazu auch AG Mannheim, DAR 2016, 95 [Freispruch, weil ausschließlich die Herstellerfirma Zugriff auf die Rohdaten hatte]).

2. Brückenabstandsmessverfahren/VKS

 

Rz. 104

Die Brückenabstandsmessverfahren (wegen der Einzelheiten der (Abstands-)Messverfahren § 1 Rdn 356 ff.; Burhoff/H.-P. Grün/Eichler u.a., OWi, Rn 99 ff.) werden von der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung als ausreichend zuverlässig angesehen (vgl. OLG Düsseldorf, DAR 1985, 87; Hentschel/König/Dauer/König, § 4 StVO Rn 15 m.w.N.). Das gilt auch für die Modifikation "VKS" (dazu § 1 Rdn 356 ff.; Burhoff/H.-P. Grün/Eichler u.a., OWi, Rn 115 ff.).

 

Rz. 105

Bei diesen Verfahren ist auf folgende mögliche Fehlerquelle zu achten (dazu auch § 1 Rdn 210 ff.): Von Bedeutung ist, dass sich evtl. Abstandsveränderungen bei den beobachteten Fahrzeugen wohl nicht immer zweifelsfrei wahrnehmen lassen. Es ist also ohne weiteres möglich, dass der Abstand des gemessenen Fahrzeugs während der entscheidenden Strecke von 250 bis 300 m (dazu u.a. OLG Düsseldorf, DAR 2003, 464) durch Gaswegnehmen den Abstand vergrößert hat (vgl. Beck/Berr/Schäpe, Rn 460). Wegen der Fehlerquellen muss ein Sicherheitsabschlag gemacht werden. Die Rechtsprechung verlangt grds. einen 15 %igen Abzug von dem in 0,8 sec. zurückgelegten Fahrweg der Kfz (BayObLG, VRS 59, 264; OLG Düsseldorf, VRS 64, 376; s. aber OLG Celle, VRS 58, 264 [unterliegt der freien Beweiswürdigung]).

 

Hinweis

Der BGH hat über die Zuverlässigkeit dieses Abstandsmessverfahrens (noch) nicht entschieden. Nach seiner Auffassung muss diese Frage allein der Tatrichter beurteilen (BGH, DAR 1983, 56; ähnlich OLG Hamm, VRS 106, 466).

Das OLG Stuttgart und das OLG Bamberg sehen das Verfahren ViBrAM-BAMAS aber als standardisiertes Verfahren an (OLG Bamberg, VA 2012, 101 = VRR 2012, 163 [Ls.] = DAR 2012, 268; OLG Stuttgart, DAR 2007, 657 = VRS 113, 224 = VRR 2007, 475; vgl. a. Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 151). Das bedeutet, dass der Tatrichter im Urteil i.d.R. nur das angewendete Messverfahren (ViBrAM-BAMAS), die Geschwindigkeit des Betroffenen sowie die Länge des Abstandes zwischen den Fahrzeugen des Betroffenen und des Vorausfahrenden feststellen muss. Toleranzen brauchen weder zur Geschwindigkeit noch zum Abstand mitgeteilt zu werden (wegen der Feststellungen i.Ü. OLG Stuttgart, a.a.O.).

Auch die Messverfahren VKS 3.0 und VKS 3.01 sind als standardisierte Verfahren anerkannt (u.a. OLG Bamberg, VA 2012, 101 = VRR 2012, 163 [Ls.] = DAR 2012, 268; OLG Bremen, DAR 2011, 35; OLG Dresden, DAR 2005, 646 = VRS 109, 196 ff. = VRR 2005, 315; DAR 2010, 212 = VRR 2010, 154; OLG Karlsruhe, zfs 2016, 531; vgl. a. Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 149 ff.).

3. Video-Abstands-Messverfahren

 

Rz. 106

Zur Funktionsweise des Video-Abstands-Messverfahren (VAMA) oder seiner Weiterentwicklung VKS wird verwiesen auf die Ausführungen bei § 1 Rdn 356 ff. (dazu eingehend auch Burhoff/H.-P. Grün/Eichler u.a., OWi, Rn 99 ff.; Krumm, DAR 2007, 129; OLG Bamberg, VRR 2013, 111 = zfs 2013, 290 = VA 2013, 30). Auch diese Messverfahren sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung als geeignet zur Abstandsmessung und als zuverlässig anerkannt worden (grundlegend OLG Hamm, NZV 1994, 120; OLG Hamm, DAR 1996, 382 bei Burhoff; OLG Bamberg, NJW 2015, 1320 = DAR 2015, 396 m.w.N.; OLG Dresden, VRS 109, 196 = VRR 2005, 315 = DAR 2005, 637 zu "VKS"; OLG Zweibrücken, zfs 2017, 412; AG Landstuhl, DV 2016, 190; Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 150 ff. m.w.N.; Krumm, DAR 2005, 55). Die Rechtsprechung verlangt nur in geringem Maße Toleranzabzüge: Bis zu einer Geschwindigkeit von 154 km/h ist kein Sicherheitsabschlag auf den im Nahbereich ermittelten Abstand erforderlich (vgl. Burhoff/H.-P. Grün/Eichler u.a., OWi, Rn 112 ff. m.w.N.). Für den Fernbereich reicht die Inaugenscheinnahme des vorlieg...

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