Rz. 73

Ist die Geschwindigkeitsmessung in der Nähe des geschwindigkeitsbeschränkenden Schildes durchgeführt worden, also z.B. in der Nähe des Ortseingangsschildes, ist auf Folgendes zu achten (dazu eingehend Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 1905 ff., Burhoff, VA 2003, 14, Krumm, VRR 2006, 90; Sobisch, DAR 2010, 48; DAR 2013, 100; DAR 2015, 163; Weigel, DAR 2017, 54; DAR 2017, 222; DAR 2020, 62):

 

Hinweis

Aus der StVO-Regelung über Vorschriftzeichen folgt (zunächst), dass ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit so einzurichten hat, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit begrenzenden Schildes die von diesem vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann (OLG Koblenz, NStZ-RR 2011, 352 = NZV 2011, 621 = VRR 2011, 363 [Ls.]; OLG Oldenburg, zfs 2014, 353 = VRR 2014, 272 = VA 2014, 140). Ein relativ kurzer Abstand zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Messstelle kann Auswirkungen auf die gegen den Betroffenen zu verhängenden Rechtsfolgen haben (Burhoff/Burhoff, a.a.O.); dies ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Geschwindigkeitsbegrenzung ein sog. Geschwindigkeitstrichter vorausgeht, durch den sich der Kraftfahrer stufenweise einer verringerten Geschwindigkeit anzupassen hat.

 

Rz. 74

Für die Geschwindigkeitsmessungen in der Nähe des die Geschwindigkeit begrenzenden Schildes i.Ü. gelten die dazu von den Bundesländern erlassenen Richtlinien und Erlasse zur Verkehrs- und Geschwindigkeitsüberwachung (dazu § 4 Rdn 1 ff.; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3324 ff.; Weigel, DAR 2017, 54; dies., 2017, 222; dies., DAR 2020, 222). Festgelegt ist in diesen Richtlinien i.d.R., in welcher Entfernung zu einer Geschwindigkeitsbeschränkung eine Geschwindigkeitsüberwachung durchgeführt werden darf (s. die Zusammenstellungen, jew. a.a.O.). Diese betragen zwischen mindestens 150 m bzw. mindestens 200 m (vgl. die Zusammenstellung der Richtlinien der Bundesländer in § 4; s. aber OLG Karlsruhe, zfs 2018, 353 = VA 2018, 84). Innerhalb dieses Bereichs sollen vor und hinter Geschwindigkeitsbeschränkungen, wie z.B. dem Ortseingangsschild, keine Geschwindigkeitsmessungen stattfinden. Aus sachlichen Gründen kann allerdings von diesen Entfernungsangaben abgewichen werden (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Hamm, DAR 2000, 580). Das kann z.B. der Fall sein, wenn sich in dem Bereich besondere Gefahrensituationen, wie Zu- und Abfahrten zu stark frequentierten Parkplätzen, Kindergärten und Schulen befinden (dazu OLG Oldenburg, NZV 1996, 375 = zfs 1996, 396 = VRS 91, 478). Aber auch ein der Messstelle vorhergehender Geschwindigkeitstrichter begründet eine Ausnahme (OLG Dresden, NJW 2005, 2100 = VRS 109, 62 = DAR 2005, 693 = NZV 2006, 110; zu den Anforderungen an die Feststellungen, wenn ein Verstoß gegen die Richtlinien geltend gemacht wird, OLG Bamberg, VA 2012, 156 = VRR 2012, 351 = zfs 2012, 648). Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Geschwindigkeitsbegrenzung ein sog. Geschwindigkeitstrichter vorausgeht, durch den sich der Kraftfahrer stufenweise einer verringerten Geschwindigkeit anzupassen hat (OLG Koblenz, NStZ-RR 2011, 352 = NZV 2011, 621 = VRR 2011, 363 [Ls.]). Zudem kann sich der Betroffene dann, wenn eine Geschwindigkeitsmessung den Richtlinien für die Verkehrsüberwachung entspricht, weil die ausnahmsweise Unterschreitung des Mindestabstands zu dem geschwindigkeitsbegrenzenden Verkehrszeichen dadurch gerechtfertigt ist, dass kurz danach eine Gefahrenstelle folgt, so auch dann nicht auf einen besonderen Tatumstand berufen, wenn die Unterschreitung des Mindestabstands bei Aufstellen eines Verkehrszeichens an einer vorgezogenen Position hätte vermieden werden können (OLG Celle, VRR 2011, 391 m. Anm. Burhoff = DAR 2011, 597 m. Anm. Deutscher = NZV 2012, 253).

 

Hinweis

Ein Verstoß gegen die Richtlinien führt allerdings nicht zur Unverwertbarkeit der Messung. Die Messung bleibt vielmehr grds. verwertbar, allerdings können die Rechtsfolgen für den Betroffenen gemildert sein. Der Verstoß kann vornehmlich Auswirkungen auf die Verhängung eines Fahrverbotes haben, das dann ggf. entfallen kann (dazu u.a. BayObLG, DAR 2017, 384; OLG Stuttgart DAR 2011, 220 = VRR 2011, 234; ; OLG Karlsruhe, Beschl. v. v. 8.1.2018. 2 Rb 9 Ss 794/17, zfs 2017, 353 = VA 2018, 84; aus früherer Zeit BayObLG, DAR 1995, 495; NStZ-RR 2002, 345; OLG Dresden, DAR 2010, 29; OLG Oldenburg, NZV 1996, 375OLG Köln, VRS 96, 62; OLG Brandenburg, JMBl. BB 1996, 173; AG Ludwigslust, DV 2012, 84; AG Rüsselsheim, DAR 1999, 375 [Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit]; dazu auch Krumm, VRR 2006, 90 ff.; Burhoff/Deutscher, OWi, Rn 1542 ff.). Das soll aber u.a. dann nicht gelten, wenn die Abweichung erforderlich war und wenn sie unbedeutend gewesen ist (OLG Bamberg, DAR 2006, 464 m.w.N.).

Das OLG Frankfurt am Main (vgl. VA 2016, 119 = NStZ-RR 2016, 226 = DAR 2016, 395) stellt – so weit ersichtlich als einziges OLG – auf die hypothetische Überlegung ab, mit welcher Geschwindigkeit an derjenigen Stelle gefahren wurde, die dem vorgegebenen Messabstand entsprochen hätte. Hiernach müsste es beim...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge