Rz. 60
▪ Bulgarien/Griechenland/Kroatien/Polen
In Bulgarien, Griechenland, Kroatien und Polen schützt das Gesetz die Pflichtteilsberechtigten für den Fall, dass sich der Erblasser bereits zu Lebzeiten aller wesentlichen Vermögensgegenstände entledigt hat. In Bulgarien besteht das Recht zur Kürzung allerdings erst, wenn alle angeordneten Vermächtnisse erschöpfend gekürzt wurden. Die Kürzung der Schenkungen erfolgt nach zeitlicher Reihenfolge. Zuerst wird die zuletzt erfolgte Schenkung gekürzt. Auch in Griechenland werden pflichtteilswidrige Schenkungen im Rahmen der Pflichtteilsbezifferung ausgeglichen. In Kroatien werden sämtliche Schenkungen dem Nachlass hinzugerechnet. Eine zeitliche Beschränkung existiert nicht. Ist die beschenkte Person nicht Erbe, so wird die Schenkung nur binnen einer Jahresfrist vor dem Erbfall dem Nachlass hinzugerechnet. In Polen findet eine Ergänzung des Pflichtteils gemäß Art. 1000 ZGB immer dann statt, wenn sich der ordentliche Pflichtteil des Enterbten nicht aus dem Nachlass bedienen lässt. Ist der Pflichtteilsberechtigte selbst Empfänger einer unentgeltlichen Zuwendung, so haftet er den anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber nur bis zur Höhe seines den eigenen Pflichtteil übersteigenden Überschusses. Durch die Herausgabe des entsprechenden Schenkungsgegenstandes kann sich der Beschenkte von der Verpflichtung zur Zahlung des zur Ergänzung des Pflichtteils erforderlichen Betrages befreien.
Rz. 61
▪ Italien
In einer Erbengemeinschaft italienischen Rechts sind die Abkömmlinge und der Ehegatte stets einander zur Ausgleichung (collazione) verpflichtet. Dem Erblasser steht jedoch das Recht gemäß Art. 737 c.c. zu, den Zuwendungsempfänger von der Ausgleichungspflicht zu befreien. Die Befreiungsmöglichkeit findet ihre Grenzen in den Noterbenrechten etwaiger Miterben (quota disponibile). Ausgleichungspflichtig sind alle vom Erblasser erhaltenen Schenkungen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung der Zuwendungen ist nicht der Zeitpunkt der Schenkung, sondern der des Erbfalls (Eröffnung der Erbfolge).
Rz. 62
▪ Niederlande
Zuwendungen des Erblassers finden nach niederländischem Erbrecht nur im Rahmen des Pflichtteilsrechts Berücksichtigung. Dabei findet eine Anrechnung nur dann statt, wenn die Zuwendung innerhalb von fünf Jahren vor dem Tode des Erblassers erfolgte.
Rz. 63
▪ Tschechien
Im tschechischen Erbrecht unterscheidet man im Rahmen der Anrechnung zwischen der Anrechnung auf den Pflichtteil sowie der Anrechnung auf den Erbteil. Grundsätzlich findet in beiden Fällen eine Anrechnung statt, was aber de facto nicht grundsätzlich dazu führt, dass der zur Anrechnung verpflichtete etwas an den Nachlass herausgeben muss. Im Pflichtteilsrecht ist alles anzurechnen, was der Berechtigte in den letzten drei Jahren vor dem Tode des Erblassers von diesem unentgeltlich erlangt hat, wobei dem Testator zusteht, diesen Zeitraum im Rahmen einer letztwilligen Verfügung auszudehnen. Ist der Beschenkte Erbe des Erblassers, so findet eine Anrechnung in all denen Fällen statt, in denen sie angeordnet wurde. Dabei ist auch noch eine nachträgliche Anordnung in einer Verfügung von Todes wegen ausreichend. Die Anrechnung wird dergestalt durchgeführt, dass sich der Erbteil des Beschenkten entsprechend reduziert. Dies kann bei umfangreichen lebzeitigen Zuwendungen dazu führen, dass er aus dem Erbe überhaupt nichts mehr erhält.
Rz. 64
▪ Rumänien
Auch in Rumänien existieren wechselseitige Ausgleichungsansprüche der leiblichen Abkömmlinge sowie des überlebenden Ehegatten untereinander, es sei denn der Erblasser ordnet ausdrücklich eine entsprechende Befreiung von der Ausgleichungspflicht an. Ähnlich wie in Tschechien ist aber zwingende Voraussetzung einer Ausgleichungsverpflichtung, dass der Beschenkte auch Erbe ist. Diese Voraussetzung lässt dem beschenkten Erben Gestaltungsspielraum. Ein Nichterbe ist nämlich nicht zur Ausgleichung verpflichtet. Entscheidet sich also der Erbe, dass er es bei der Schenkung belassen möchte und eine Ausgleichung für ihn nicht in Frage kommt, so kann er die Erbschaft (aus taktischen Gesichtspunkten) zu seinen Gunsten ausschlagen.
Rz. 65
▪ Österreich
Auf Antrag eines leiblichen Abkömmlings oder des Ehegatten hin werden in Österreich alle lebzeitigen Zuwendungen gegeneinander ausgeglichen. Hintergrund dieser Regelung ist die Gleichbehandlung aller Kinder des Erblassers. Im Pflichtteilsrecht werden die zu Lebzeiten empfangenen Zuwendungen dem Nachlass zugerechnet, um die Werte der Erbteile exakt beziffern zu können. Zuwendungen auf den Todesfall sind im Rahmen der Anrechnung mit dem Stichtagswert (Todeszeitpunkt) zu bewerten.